Die Lady mit der Lanze
grinste. Vielleicht hätte sie erwähnen sollen, dass sie eine Schwester von St. Jude’s Abbey war, doch war sie nicht sicher, ob ihn dies zurückgehalten hätte.
Von dem Wunsch erfüllt, unter einem Vorwand den Tisch verlassen zu können, sah sie den drei Gauklern zu. Sie merkte, dass ihnen sonst kaum jemand Beachtung schenkte, als der Jongleur, der ältere der zwei Männer, einen Ball fallen ließ und niemand einen Mucks von sich gab. Keine ermutigenden Rufe, kein Gelächter. War die harte Arbeit ihrer Eltern ebenso gleichgültig aufgenommen worden? Sie hatte die Menschen, die zu ihren Vorstellungen kamen, niemals beobachtet, so fasziniert war sie gewesen und hatte die Augenblicke genossen, wenn Vater oder Mutter nach Monaten der Übung einen neuen Trick präsentierten. Der Zauber dessen, was sie zeigten, verblasste nie, auch wenn sie den Trick später selbst erlernte.
»Ihr seid heute so still«, sagte Lord de la Rochelle. »Ich hoffe, es ist alles nach Wunsch.«
Nein , hätte sie am liebsten ausgerufen. Innerhalb dieser Mauern gibt es jemanden, der vielleicht weiß, wo ich Llech-lafar finden kann, und man hindert mich daran, mit ihm zu sprechen . Sie lächelte, wie schon den ganzen Abend, wenn ihr auch die Galle hochkam.
»Ja.« Sie schnitt eine Grimasse, als der Jongleur abermals einen Ball fallen ließ und lief, um ihn aufzuheben.
»Wenn ihre Ungeschicklichkeit Euch verdrießt, dann sagt es, und ich weise sie aus der Halle.« Er legte ihr die Hand aufs Knie wie schon mehrmals, seitdem das Mahl begonnen hatte.
Sie hob seine Hand fort, wie schon mehrmals, jedes Mal voller Hoffnung, er würde dieses abstoßenden Spiels überdrüssig werden.
»Nein, es ist nicht nötig, dass Ihr sie fortschickt.« Unvorstellbar, dass sie der Anlass sein sollte, die Gaukler, unverkennbar Eltern und Sohn, in die stürmische Nacht hinauszujagen. Wären ihre eigenen Eltern noch am Leben gewesen und sie mit ihnen unterwegs, hätte es ihre Familie sein können, die auf der Burg eine Vorstellung gab.
»Vielleicht zieht Ihr eine Geschichte vor«, sagte der Lord.
»Habt Ihr einen Barden?«
Lord de la Rochelle stieß einen Pfiff aus. In einer entfernten Ecke erhob sich ein Mann, der eine Kapuze über seinen Kopf gestülpt hatte. Er war einer der singenden Männer, die ihr gleich beim Betreten der Halle aufgefallen waren. Der andere war nirgends zu sehen. Vielleicht wartete einer auf einen Gunstbeweis des Fürsten, während der andere schlief oder aß. Das Licht der zahlreichen Leuchten wurde vom Metall am Gürtel des Mannes und von einem Medaillon reflektiert, das über seinem in einem Grauton gehaltenen Gewand hing. Einen Augenblick lang hielt sie es für ein Kruzifix und fragte sich, ob er vielleicht ein Bettelmönch war. Dann erkannte sie, dass er einen runden Stein oder ein Medaillon um den Hals trug. Der Mann steckte es unter sein weites Obergewand, als er vortrat und sich verbeugte.
»Wir möchten eine Geschichte hören«, sagte der Lord.
»Welche denn?« Die Stimme des Kapuzenmannes war ebenmäßig und angenehm, wie es sich für einen Poeten gehörte.
Lord de la Rochelle griff sich einen Fisch vom Servierbrett und riss ihn entzwei. Lächelnd fragte er: »Ap Llyr, wisst Ihr eine bessere Geschichte als jene von Llech-lafar ?«
Elspeth, der vor Verblüffung die Luft wegblieb, suchte Halt am Tisch. Warum erwähnte der Lord den sagenhaften Stein? Sie zwang sich zu einem tiefen Atemzug. War jede Farbe aus ihrem Gesicht gewichen? Es fühlte sich eisig kalt an.
Sie durfte sich nicht von Panik überwältigen lassen. Der Name des verfluchten Steins war in Wales von manchen Lippen zu erwarten. Wer die Geschichte kannte, dem war klar, dass die Zeit, in der Merlins Fluch sich erfüllen sollte, der einem König aus der Fremde galt, die Gegenwart war.
Als sie ihren lang angehaltenen Atem ausstieß und den Kopf hob, entdeckte sie, dass der Kapuzenmann sie anblickte. Vielmehr vermutete sie es, da er seine Kapuze nicht zurückgeschoben hatte. Wohl wissend, dass sie etwas sagen musste, fragte sie: »Was ist mit der Geschichte von Pwyll, der die Stelle des Todes einnahm, um seinen Feind zu erschlagen?«
»Nicht seinen Feind.« Mit einem tiefen Zug leerte Tarran seinen Humpen. »Er erschlug den größten Feind des Todes.«
Lord de la Rochelle schüttelte den Kopf. »Eine traurige Geschichte, wie so viele walisische Sagen.« Er winkte den Geschichtenerzähler fort. »Lieber schaue ich diesen unfähigen Artisten zu, als mir eine düstere
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