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Die Lady mit der Lanze

Die Lady mit der Lanze

Titel: Die Lady mit der Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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lehnte den Kopf an die Steine und blickte zum Firmament.
    Am Morgen musste er einen Weg finden, Elspeth zu sagen, dass sie sich mit der Antwort zu lange Zeit gelassen hatte, dass er ohne sie aufbrechen würde, dass sie jemanden anderen finden musste, den sie mit ihrem ununterbrochenen Geplapper plagen konnte. Auch wenn sie ihn anflehte, würde er nein sagen. Auch wenn sie ihm einen Kuss und mehr bot …
    Seine Gedanken verweilten dabei, und er schloss die Augen. Er hätte sie verdrängen sollen, nahm sie aber mit sich, als er einschlief.

8
    Er träumte. Tarran wusste es, weil er seinen Herzschlag hörte und seine Lungen sich mit jedem Atemzug hoben und senkten.
    Doch stand er in der Halle König Arawns, des Herrschers von Annwfn, jenes Landes, in das die Seelen der alten walisischen Krieger gelangten, nachdem der als Tod verkleidete König sie für sich gefordert hatte. In der Welt der Menschen war der König gefürchtet, in seinem eigenen Reich aber wurde er verehrt, wie die Sagen wissen wollten. In einem großen Tal, in dem die Früchte des Feldes die vielfache Größe jener erreichten, die auf den Feldern der Menschen wuchsen, lag seine Halle. Dort versammelten sich die tapfersten Krieger und schönsten Frauen, von denen einst viele unter den Menschen gewandelt hatten. Andere aber waren aus einem Geschlecht, älter als die Menschen, jenem Geschlecht, dem auch König Arawn entstammte.
    An der großen Tafel saß der König. Das Antlitz des Todes in Annwfn war angenehm, die ideale Ergänzung zu der Schönheit an seiner Seite, die für ihn die erlesensten Leckerbissen wählte und ihm reichte, während er einer Musik lauschte, so herrlich, dass ein lebender Mensch sie nicht hören konnte, ohne in Tränen auszubrechen.
    Tarrans Wangen waren trocken, und er war am Leben, da er sich auf der Suche nach Addfwyns Mörder nicht in einen Kampf mit einem Gegner eingelassen hatte.
    Addfwyn! Sie musste sich unter den Auserwählten in der großen Halle befinden, da nur Arawns Lady schöner sein konnte als Tarrans geliebte Frau.
    Er ließ den Blick über die Halle schweifen. Die ganze Länge abzuschreiten hätte eine Strecke bedeutet, so lang wie die Umrundung des Fußes von Yr Wyddfa, des großen Berges im Norden. Addfwyn inmitten der glänzenden Versammlung zu finden, war eine Aufgabe eines großen Helden wie Pwyll würdig, der anstelle des Todes mit einem gewaltigen Dämon gekämpft hatte, wie die ältesten Sagen zu berichten wussten.
    Und die Geschichte von Pwyll, der die Stelle des Todes einnahm, um seinen Gegner zu bezwingen?
    Er ignorierte die Frage, die ihm eine leise Stimme stellte, die in den Winkeln seines Bewusstseins hauste. Die Frage war in der Welt der Lebenden gestellt worden. Er befand sich nicht mehr dort. Er war in Annwfn, dem Totenreich, wo er seine Frau zu finden hoffte.
    Dann sah er Addfwyn. Das dunkle offene Haar lag wie ein Umhang um ihre Schultern. Voll schmerzlicher Sehnsucht wünschte er sich, das seidige Cape würde wieder seine nackte Haut bedecken.
    Ihr Blick traf seinen, und er war neben ihr. Die Entfernung war von der Berührung zweier lang getrennter Seelen überwunden worden. Er setzte sich neben sie und wollte sie in die Arme nehmen.
    Addfwyn glitt auf der Bank weiter. Er wollte ihr nach, doch der Gedanke an Elspeth, die dasselbe getan hatte, als sie de la Rochelle auswich, drängte sich ihm auf. Und ließ ihn auf der Stelle erstarren. Er verdrängte das Bild aus dem Kopf.
    Und die Geschichte von Pwyll, der die Stelle des Todes einnahm, um seinen Gegner zu bezwingen ?
    Nein, er wollte Elspeths Stimme nicht hören. Er war bei seiner geliebten Addfwyn. Er sollte ausschließlich an sie denken und nicht an eine unmögliche Frau, die ihn immerzu erzürnte.
    »Addfwyn«, sagte er leise. Er hatte ihr so viel sagen wollen, doch konnte er sich auf kein einziges Wort besinnen.
    »Du solltest nicht hier sein«, flüsterte sie.
    »Ich gelobte, den Rest meiner Tage an deiner Seite zuzubringen. Wenn du hier bist, sollte ich es auch sein.«
    »Deine Zeit ist noch nicht gekommen.«
    »Wenn ich mich an König Arawn wende, gewährt er mir vielleicht die Bitte, zu dir zu kommen, nachdem ich deinen Tod rächte.«
    Sie hob ihre Hand, um sein Gesicht zu streicheln, wie sie es so oft vor ihrem Tod getan hatte. Sie zog sie zurück, ehe sie ihn berührte.
    »Nicht einmal der Tod selbst kann ändern, was ist und was sein wird.«
    »Es muss einen Weg geben.« Er griff nach ihrer Hand. Seine Finger umschlossen ein Nichts,

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