Die Lady mit der Lanze
befingerte.« Sie wollte noch mehr sagen, doch ihr Plan löste sich in alle Bestandteile auf.
»Das ist etwas anderes.« Ohne innezuhalten, erhob er die Stimme. »De la Rochelle, sie hat ihre Forderung zurückgezogen.«
»Was?«, riefen Elspeth und der Lord zur gleichen Zeit.
»Ich weiß, dass Ihr nicht wollt, dass die Lady sich verletzt«, sagte Tarran.
Lord de la Rochelle hinkte auf sie zu und knallte seinen Humpen auf den Tisch. »Eine Herausforderung ist eine Herausforderung.«
»Ja«, setzte Elspeth hinzu, »er ist …«
Als Tarran ihren Arm drückte, war es eine wortlose Warnung. Sie erwog, seinen anderen Arm zu packen und ihn zu Boden zu werfen, musste sich aber eingestehen, dass ihre Wut auf den Lord sie zu einer dummen Wette verleitet hatte.
»Wenn Ihr nicht darauf verzichten wollt«, sagte Tarran, »müsst Ihr die Wette abändern, damit die Lady sich nicht schwer verletzt.«
Tarran gab sie frei, trat auf Lord de la Rochelle zu und blieb stehen, als er sich plötzlich von einem Dickicht blanker Klingen umgeben sah. Auf der entgegengesetzten Seite des Raumes wurden auch Tarrans Leute von Dolchen und Schwertern in Schach gehalten. Lord de la Rochelles Befehl, die Halle unbewaffnet zu betreten, war von seinen Getreuen nicht befolgt worden. Elspeth spürte, wie ihr Magen sich unangenehm zusammenzog, als ihr aufging, dass der Lord sie in eine zunehmend brisante Situation manövriert hatte.
»Ein Ehrenmann würde diesem Unsinn ein Ende bereiten«, sagte Tarran so ruhig, dass man hätte meinen mögen, sie säßen an der Tafel und genössen ihr Mahl. »Sie war trunken vor Erregung und für ihr Tun nicht verantwortlich.«
»Trunken?« Der Lord lachte. »Mal sehen, wie betrunken die Lady ist.« Er deutete auf den Stab, den die zwei Männer hielten. »Ich fordere die Lady heraus, über diesen Stab zu gehen.«
»Sie könnte fallen und sich verletzen.«
Er schlug auf den Tisch neben sich. »Der Abstand zum Boden ist kleiner als jener, den ich übersprang.« Auf einen Wink hin gaben ihm seine Männer den Weg frei. Mit einem Ellbogen schob er sich an Tarran vorbei. Seine Männer drängten vor, um Tarran wieder mit ihren Klingen zu umzingeln.
Elspeth straffte die Schultern, als sie dem Blick des Lords begegnete. Die Andeutung eines triumphierenden Lächelns zuckte um seine Lippen. Wie ein Jagdhund glaubte er, seine Beute in eine Falle getrieben zu haben. Sie hoffte, dass er sich irrte.
»Nehmt Ihr an«, fragte er, »oder gebt Ihr Euch geschlagen?«
Sie lächelte gezwungen. »Ich nehme an, wenn Ihr meinem Beispiel folgt.«
»Ich? Ich sprang über den Stab.«
»Ihr habt ihn mit dem Fuß gestreift. Wenn ich die Distanz zwischen zwei Tischen schaffe, ohne zu fallen, ist es eine fehlerlose Darbietung. Ihr müsst dasselbe zeigen.«
»Das wird nicht nötig sein, da Ihr es nicht schafft, ohne herunterzukugeln.« Er lachte. »Dann bin ich Sieger und werde mit Euch herumkugeln.«
Ihren Abscheu verbergend, nickte Elspeth. Sie ging zu Cors und seinem Sohn, die die Stange zwischen zwei Tischen stabil hielten, indem jeder auf einem Ende saß, und vermied es, Tarran anzublicken. Die Männer des Barons riefen Wetten, als sie auf eine Bank und auf den Tisch stieg, auf dem Cors Sohn saß. Niemand wettete auf ihren Sieg. Man wettete darum, wie viele Schritte sie vor ihrem Sturz schaffen würde.
Als Tarran auf sie zukam, glaubte sie, die Männer des Lords würden ihn daran hindern. Sie taten jedoch nichts, als Tarran unweit der Mitte der Stange mit ausgestreckten Armen Aufstellung nahm, um sie aufzufangen. Sie wollte ihn beruhigen, konnte es aber nicht, da sie sich auf die vor ihr liegende Aufgabe konzentrieren musste.
Bis auf das Knistern des Feuers in den Kaminen herrschte atemlose Stille, als sie ihren Fuß auf die Stange schob. Sie sah von Cors zu seinem Sohn. Beide blickten unverwandt auf ihre Füße, und sie wusste, dass auf sie Verlass war und sie die Stange festhalten würden.
Ihr Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren. Was der Lord forderte, war nicht unmöglich. Ehe sie erkrankte, hatte ihre Mutter ihr die Grundkenntnisse der Balance auf einer Stange vermittelt. Elspeth hatte im Kloster zu üben versucht, war aber davon abgekommen, als sie sich in die Kunst des Stockkampfes und andere in der Abtei gelehrten Fertigkeiten vertiefte. Ihr letzter Versuch, auf einer Stange zu gehen, lag mindestens fünf Jahre zurück. Damals hatte sie nicht die ganze Länge geschafft, weil sie kichern musste. Nun, zum Lachen gab es
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