Die Lady mit der Lanze
nahm von Kei ein Fläschchen in Empfang und setzte es an. Sie war nicht erstaunt, dass er nichts mehr sagte.
Druces Begleiter flüsterte ihm etwas zu. Dann fragte Druce: »Habt Ihr den Angreifer getötet?«
»Nein.« Er nahm noch einen Schluck. »Dieser Feigling ergriff die Flucht.«
Druce stand auf und steckte die Hände in die weiten Ärmel seines Gewandes. Nun ähnelte er einem Mönch noch stärker, doch als er zu sprechen anfing, wuchsen Elspeths Zweifel, dass er einer war.
»Ich werde Verbindung mit meinen Männern aufnehmen. Sie werden den Schurken fassen. Während Ihr durch mein Land zieht, steht Ihr unter meinem Schutz. Ich kann nicht dulden, dass Ihr wieder in Gefahr geratet.« Auf sein Fingerschnalzen hin kam Orwig herangeschlurft. »Setze meine Leute von allem in Kenntnis.«
Orwig verbeugte sich und ging davon.
»Sorgt dafür, dass man ihn lebendig fängt!«, rief Elspeth ihm nach.
Druce wiederholte ihren Befehl und lächelte dann. »Euer weiches Herz ist ein weiteres Zeichen Eures sanften Wesens, Mylady.«
»Lasst Euch nicht täuschen«, sagte Tarran in einem Ton, so angespannt wie seine Miene. »Sie will nur ihre Neugierde bezüglich seiner Identität befriedigen. Doch sollte sie mit ihren Wünschen vorsichtiger sein. Es könnte sein, dass sie bekommt, was sie möchte, und dass es ihren Erwartungen nicht entspricht.«
Als er sich mit Seith zu einer Unterredung zurückzog, reichte Vala Elspeth eine Scheibe Honigbrot. Sie biss ab, aber es schmeckte wie Straßenstaub. Sie fragte sich, ob auch nur irgendetwas wieder ins Lot kommen würde, wenn Tarran sie aus seinem Leben ausschloss.
Allein zu trinken, ist eine Gewohnheit, die ein Mann nicht unbedacht annehmen sollte.
Tarran dachte an die Worte seines Großvaters, als er seinen Ale-Humpen ansetzte, den er von Druces Männern bekommen hatte, als sie auf einer mondhellen Lichtung ihr Nachtlager aufschlugen. Die Stimmen vom Feuer her, um das sich die anderen drängten, verrieten Müdigkeit und wachsame Kameradschaft. Seine Männer hörte er nicht heraus, doch erhob sich eine hellere Stimme über alle anderen. Zwar waren Elspeths Worte von seinem Platz unter einem Baum am Waldrand nicht zu verstehen, doch durchdrang ihn ihr fröhlicher Ton wie eine geschliffene Klinge.
Niemand war gekommen und hatte ihn aufgefordert, sich zu der Runde am Feuer zu gesellen. Er hatte es auch nicht erwartet. Seine Männer waren zurückhaltend, unsicher, ob er gegen sie auch so gewalttätig werden konnte wie gegen Kei. Elspeth war ihm gegenüber auf der Hut, doch hatte er in ihren Augen, die so matt waren wie seine Lebensgeister, Verblüffung gelesen. Leuchteten sie jetzt, wenn sie über einen Ausspruch eines seiner Männer lachte?
Druce hatte sie den ganzen Tag umschwärmt, und sie hatte es ihm mit viel Lächeln gedankt. Tarran fragte sich, ob dieses Getue für die Tochter eines normannischen Lords selbstverständlich war.
Warum hatte er die Wahrheit nicht gesehen, ehe sie ihren Vater erwähnte, als sie unter dem alten Steinmonument Schutz suchten? Ihre Worte über Landbesitz und Titel verrieten, dass sie die eheliche Tochter eines normannischen Lords war und beiderseits von Offa’s Dyke als Lady edler Abkunft galt. Mochten seine walisischen Landsleute ihn auch mit »Fürst« ansprechen, so war er für jene, die Land im Osten besaßen, der Sohn eines Bastards.
Er hatte während des Tages des Öfteren bemerkt, dass Elspeth in seine Richtung blickte, doch hatte er getan, als sähe er es nicht. Sie stand im Rang so hoch über ihm, dass er eigentlich um Erlaubnis hätte bitten müssen, mit ihr sprechen zu dürfen. Sie küssen - das konnte nicht wieder sein. Der Schmerz, den er bei diesem Gedanken empfand, war schlimmer als die Wunde an seinem immer steifer werdenden Arm.
Ein Schatten bewegte sich auf Tarran zu. Hastig griff er nach seinem Schwert und atmete auf, als er Vala erkannte.
»Was machst du hier draußen?«, fragte er.
Statt einer Antwort setzte sie sich neben ihn und zog Nadel und Faden aus ihrem Beutel. Sie machte sich daran, seinen Ärmel zusammenzunähen, wobei sie darauf achtete, den Verband an seinem Arm nicht zu berühren. »Warum machst du das jetzt?«, fragte er.
»Um dich zu ärgern.«
»Was?«
Trotz des schwachen Lichtes sah er ihr Lächeln, das jene Kühle erkennen ließ wie damals, als er noch ein schlimmer Junge war. »Du kannst umherstapfen und schmollen so viel du willst, oder du kannst Lady Elspeth nachlaufen, wie du es eigentlich
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