Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
dieses unerfreuliche Zusammentreffen so glimpflich abgelaufen war.
Doch er blieb stehen. »Ach bitte, Miss Lamb?«
Überrascht wandte sie sich zu ihm um, während er zurückkam und vor ihr stehen blieb.
»Ich wollte gerade eine Tasse Tee in dem kleinen Lokal an der Ecke trinken. Sie möchten nicht vielleicht mitkommen?«
Sie kräuselte die Lippen, wusste aber nicht so recht, was sie sagen sollte. Schließlich brachte sie ein »Warum?« heraus.
»Ich weiß, dass unser Verhältnis im Moment etwas gespannt ist, aber das muss doch nicht so bleiben. Ihre gegenwärtige … Lebenssituation … ist für einen gewöhnlichen Londoner vielleicht ein leichter Schock. Doch hier, in unserem kleinen Dorf, sind solche Dinge etwas ganz Normales und brauchen keine Barriere zwischen uns zu errichten.«
Sie sah auf ihre Hände hinunter, die sie gefaltet hielt.
»Kommen Sie schon, Miss Lamb. Haben wir nicht einen gemeinsamen lieben Freund? Und sind wir nicht beide gebildete Menschen, die an einem öffentlichen Ort eine Tasse Tee zusammen trinken dürfen?«
»Ich frage mich, ob Sie nicht Ihre Berufung verfehlt haben, Dr. Kendall. Sie hätten Politiker werden sollen.« Doch sie konnte nicht verhindern, dass ihre Worte durch den Anflug eines Lächelns gemildert wurden.
»Ist das ein Ja?«
»Na gut.«
Er grinste.
Doch sie waren noch keine vier Schritte gegangen, da rief eine junge Stimme hinter ihnen: »Dr. Kendall!! Dr. Kendall!!«
Sie drehten sich um und sahen, wie ein Junge, so schnell er konnte, auf sie zurannte. Er schien in heller Panik zu sein. »Mrs Henning sagt, Sie sollen schnell kommen! Sie braucht Sie ganz dringend!«
Kendalls Gesichtsausdruck wurde grimmig. Er drehte sich kurz um. »Die Hebamme. Verzeihen Sie mir, Miss Lamb – vielleicht ein anderes Mal.«
»Natürlich müssen Sie gehen.«
»Hätten Sie etwas dagegen mitzukommen? Ich brauche vielleicht Ihre Hilfe.«
»Selbstverständlich komme ich mit.«
»Mrs Collins, nicht wahr?«, rief Dr. Kendall dem Jungen zu, der sich bereits umgedreht hatte und losgelaufen war.
»Ja, Sir.«
»Zeig der Dame den Weg, bitte.« Und zu Charlotte sagte er: »Ich laufe voraus.«
»Hier entlang, Miss«, sagte der Junge.
Sie gelangten zu einem ordentlichen kleinen Cottage mit strohgedecktem Dach. Der Junge ging als Erster hinein und ließ die Tür für sie offen. Als sie eintrat, sah sie zu ihrem Erstaunen Thomas, einen gewickelten Säugling in seinen großen Händen. Sie musste sofort an die Lämmer denken.
»Bring noch eine Decke, Freddie«, sagte er. »Wir müssen deine kleine Schwester hier warm halten.«
Thomas sah den Jungen – ihren Begleiter – an, dann wanderte sein Blick zu ihr. »Miss Charlotte?«
»Dr. Kendall bat mich mitzukommen.«
»Er ist bei ihr drin.« Er schüttelte besorgt den Kopf. »Sie hat's schwer, fürchte ich.«
»Die Mutter?«
Er nickte. »Zwillinge. Mit dem zweiten scheint es Probleme zu geben. Mrs Henning gab mir dieses hier und bat mich, es warm zu halten.«
Freddie kam zurückgelaufen, eine Decke in der Hand.
»Bitte, lassen Sie mich helfen.« Charlotte nahm dem Jungen die Decke ab und half Thomas, das winzige Baby einzuwickeln.
Sie sagte: »Ich dachte, Sie seien heute zu Besuch bei Ihren Cousinen.«
»Betsy ist meine Cousine.«
»Miss Lamb?« Dr. Kendall erschien in der Tür. Er rollte sich die Ärmel hoch. »Könnten Sie bitte kommen?«
Sie warf Thomas einen mitfühlenden Blick zu und folgte dann Dr. Kendall ins Schlafzimmer. Betsy Collins lag im Bett und sah völlig erschöpft aus. Die Hebamme stand daneben.
»Mrs Henning, Sie sollten sich ausruhen!«, sagte Dr. Kendall mahnend.
»Aber …« Die grauhaarige Frau, die der Patientin Stirn und Schultern wusch, hielt inne.
»Sie können mir nicht helfen, wenn Sie hier zusammenbrechen.« Er wandte sich an Charlotte. »Miss Lamb, bitte.«
Charlotte nahm der älteren Hebamme die Schüssel und den Lappen ab und fing an, Betsy die Stirn abzuwischen. Die Frau war schweißgebadet und sehr geschwächt. Charlotte lächelte ihr ermutigend zu. Betsy musste etwa in ihrem Alter sein. »Ich habe draußen Ihre Tochter gesehen. Sie ist eine Schönheit.«
»Wirklich?«
»Oh ja.«
Betsy lächelte matt.
»Ich muss versuchen, die Lage des Kindes zu verändern«, verkündete Dr. Kendall streng.
Betsy verzog das Gesicht und schloss die Augen.
»Nehmen Sie ihre Hand, Miss Lamb«, wies er sie an.
Mrs Henning war bereits aufgestanden und hatte die andere Hand der Frau genommen.
Dr. Kendall
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