Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
Haar und großen, hellblauen Augen, die im Moment allerdings sehr bekümmert dreinblickten. In den Armen hielt sie ein Baby, das sich unaufhörlich wand und zappelte. Es war schon ganz rot im Gesicht. Dennoch schrie das Kind nicht laut, sondern jammerte nur in regelmäßigen Abständen mit einem hohen Wimmern auf.
»Armer Kleiner. Wie alt ist er?«, fragte Charlotte.
»Morgen eine Woche«, antwortete Mrs Henshaw ruhig.
»Wenn er so lange lebt«, schnappte Mr Henshaw. »Wir wollen keine Zeit verschwenden, Kendall. Sie haben in aller Eile diese Amme für uns aufgetrieben. Woher sollen wir wissen, dass sie überhaupt genügend Milch für meinen Sohn hat?«
»Ich kenne ihre letzte Stellung und kann mich für ihre Gesundheit verbürgen.«
»Ihre Milch könnte seither versiegt sein.«
Charlotte schreckte förmlich zurück bei seinen unverblümten Worten.
»Nein, Sir. Sie hat die Stellung bei meinem Freund erst heute Morgen verlassen.«
»Warum wurde sie entlassen?«
»Sie wurde nichts dergleichen. Ich kann für ihren Charakter und ihre Zuverlässigkeit einstehen, Sir, seien Sie versichert.«
»Haben Sie sie persönlich untersucht?«
»Untersucht? Nicht direkt.«
»Dann tun Sie ihre Pflicht, Mann, und fertig. Wenn sie infrage kommt, soll sie unseren kleinen Crispin stillen, bevor er verhungert.«
Charlotte spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg.
»Miss Lamb ist eine sehr zurückhaltende junge Frau«, murmelte Mr Kendall.
»Dann benutzen Sie den Paravent dort drüben. Ich weiß überhaupt nichts über sie. Ist es da nicht verständlich, dass ich einen Beweis dafür möchte, dass sie gesund ist und nicht etwa irgendwelche Geschwüre oder Ausschläge hat, mit denen sie meinem Jungen schaden könnte?«
Dr. Kendall öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Er sah Charlotte ernst an.
»Miss Lamb, hätten Sie etwas dagegen, mit mir hinter den Paravent zu kommen? Es dauert nur einen Moment.«
Charlotte öffnete den Mund, um zu protestieren, doch aus dem hohen Greinen des Kindes waren jämmerliche Schreie geworden, die ihr das Herz zerrissen – und drohten, ihre Milch ganz von selbst fließen zu lassen.
Sie trat hinter den Schirm und wartete, bis Mr Kendall ihn so hingestellt hatte, dass er sie besser verbarg. Er blickte sie an und formte mit dem Mund die Worte Verzeihen Sie mir .
Dann ließ er den Blick nachdenklich von ihrem Gesicht über ihren Hals bis zum Ausschnitt ihres Kleides wandern. Mit klopfendem Herzen, brennenden Wangen und abgewandten Augen öffnete sie ihr Mieder und rollte es nach unten, bis es ihr um die Taille hing. Dann streifte sie erst den einen, danach den anderen Träger ihres Hemds von der Schulter. Sie hatte vergessen, dass sie ihre Brust mit Musselin eingebunden hatte, um die Schmerzen und die Schwellung zu lindern, weil sie noch so viel Milch hatte. Sie schluckte und band das Tuch auf. Als sie anfing, den langen Streifen abzuwickeln, warf sie einen verstohlenen Blick auf den Arzt und sah, dass er sich nach Kräften bemühte, einen sachlichen Gesichtsausdruck zu wahren.
»Versichern Sie sich, dass ihre Milch noch fließt«, rief der schreckliche Mann von der anderen Seite des Schirms.
Charlotte krümmte sich vor Scham und hielt inne. Erwartete Dr. Kendall etwa, dass sie vor seinen Augen Milch aus ihrer Brust herausdrückte? Das wäre zutiefst demütigend.
In diesem Augenblick begann das Kind ernstlich zu schreien. Wie sie befürchtet hatte, begann ihre Milch augenblicklich zu fließen und durchfeuchtete die verbliebenen Schichten des Musselins, noch bevor sie ihre Arme um die Brust legen konnte. Dr. Kendall hob eine Hand und bedeutete ihr schweigend, mit dem Aufwickeln aufzuhören.
»Die Milch fließt hervorragend«, rief er über die Schulter. »Die … alles … sieht absolut perfekt aus.«
Er sah ihr ins Gesicht. Obwohl Charlotte maßlos erleichtert war, dass sie sich nicht ganz auszuziehen brauchte, war sie doch noch zu verlegen, um ihm in die Augen zu sehen.
»Sie können sich wieder anziehen, Miss Lamb. Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.«
Charlotte zog rasch ihr Kleid wieder hoch. »Ich kann ihn doch gleich hier stillen«, meinte sie und versuchte, ihre Haltung zurückzugewinnen. »Haben Sie ein Zimmer, das ich benutzen könnte?«
»Ja, natürlich.«
Charlotte saß auf einem Stuhl in einem kleinen Untersuchungszimmer und stillte das Baby, das mit verzweifelter Gier trank. Es war eine Erleichterung, gleichzeitig aber auch schmerzhaft. Sie hoffte, dass
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