Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
der Kleine mit der Zeit etwas sanfter sein würde.
Die junge Frau sah mit großen Augen zu. Sie hatte den Blick nicht etwa abgewandt, wie die Höflichkeit es eigentlich geboten hätte. »Sie sind wirklich vollkommen«, hauchte sie.
Charlotte wusste nicht recht, wie sie auf eine so schockierende Bemerkung reagieren sollte. Der jungen Frau schien ebenfalls bewusst zu werden, was sie gesagt hatte, denn sie wurde plötzlich dunkelrot. »Ich meinte nur, verglichen mit mir …«
»Ich bin sicher, dass bei Ihnen alles in Ordnung ist.«
»Nein, das stimmt nicht.«
Als Charlotte das nächste Mal von Crispins mit Flaum bedecktem Köpfchen aufblickte, sah sie fassungslos, dass Mrs Henshaw den Vorsatz zum Stillen an ihrem Kleid aufgeknöpft hatte. Charlotte erhaschte einen Blick auf mehrere dunkelrot schillernde Hämatome, bevor die junge Frau den Latz wieder zuknöpfte. Ihr Schock machte tiefem Mitleid Platz.
»Oh, Sie Arme! Kein Wunder, dass Sie Crispin nicht stillen können! Das muss furchtbar wehtun!«
»Der Arzt meint, ich hätte eine Infektion, jedenfalls muss ich vor Schmerzen schreien, wenn ich versuche, meinen Sohn zu stillen. Crispin fängt dann ebenfalls an zu weinen und Mr Henshaw fängt an zu schimpfen.«
Charlotte schüttelte mitleidig den Kopf.
»Ich mache ihm keine Vorwürfe«, sagte Mrs Henshaw. »Was ist das für eine Frau, die ihr Kind nicht stillen kann? Er sagt, seine Mutter hätte ihn gestillt und er will nicht, dass sein Sohn einer groben, gierigen Bäuerin in Pflege gegeben wird. Oh, verzeihen Sie, damit will ich nicht sagen, dass Sie …«
»Schon gut. Ich habe diese Ansicht schon oft gehört. Wissen Sie, Sie sind nicht die einzige Frau, die Schwierigkeiten beim Stillen hat, Mrs Henshaw.«
»Bitte, nennen Sie mich doch Georgina.«
»Gerne, Georgina. Und Sie sagen bitte Charlotte zu mir.«
»Danke.«
»Ich habe so etwas schon einmal gesehen. In der Wöchnerinnenklinik.«
»Wirklich? Ist es heilbar?«
»Natürlich. Ich werde Crispin ein paar Tage für Sie stillen, dann wird es heilen. Es sieht aus, als sei er nicht richtig angelegt worden.« Georgina senkte betroffen den Kopf und Charlotte fügte hastig hinzu: »Woher hätten Sie auch wissen sollen, wie man es macht, wenn es Ihnen niemand zeigt? Ich weiß, Frauen stillen ihre Kinder, seit die Welt besteht, aber deswegen geht es doch nicht immer so ganz wie von selbst, wie man sich das vielleicht vorstellt.«
Georgina versuchte zu lächeln. Es war ein unglaublich liebliches, sanftes Lächeln. Charlotte hatte sie schon jetzt ins Herz geschlossen; sie brachte ihr fast mütterliche Gefühle entgegen, so wie dem kleinen Crispin. Mit ihrem Mann hingegen wollte sie so wenig wie möglich zu tun haben.
»Meine Mutter ist leider verstorben«, sagte Georgina wehmütig.
»Meine auch.«
»Ich habe noch eine Schwester. Aber sie wohnt weit weg in Newcastle. Haben Sie auch eine Schwester?«
»Ja. Aber sie ist genauso weit weg.«
28
[Die Seidenblume] wurde früher auch benutzt, um Pfeile zu vergiften.
Und sie ruft Erbrechen bei Vögeln hervor, die die Monarchfalter fressen.
Jack Sanders, The Secrets of Wildflowers
Lizette erbrach sich anmutig in eine Schale und wischte sich dann mit einem Spitzentaschentuch den Mund ab. Es war eine elegante Bewegung, fast damenhaft – jedenfalls bis sie plötzlich fluchte.
»Was fehlt dir?«, fragte Daniel.
»Nichts, ich habe nur dieses widerliche englische Essen so satt.«
»Geht es dir jetzt besser?«
» Oui – maintenant . Warum erlaubt Mrs Beebe nicht, dass Marie unsere Mahlzeiten zubereitet? Wenn ich noch ein einziges Mal diesen verdammten, in Hammelfett gebratenen Kohl essen muss, werde ich mir die Seele aus dem Leib kotzen.«
Er lachte und half ihr aufzustehen.
»Das ist nicht lustig. C'est terrible .«
»So schlimm ist es nun auch wieder nicht.«
»Vielleicht für dich nicht. Du bist nur an den Wochenenden hier. Wenn du in London bist, macht sie Kutteln und fettigen Kohl.«
Er lächelte. »Lass uns morgen ins Gasthaus im Dorf gehen. Kendall sagte, dort isst man sehr gut.«
»Ich bezweifle, dass sie in diesem Fischerdorf etwas kennen, das man auch nur annähernd als Kochkunst bezeichnen könnte.«
»Lass es uns trotzdem wagen!«
»Ich weiß nicht, ob ich mich dazu imstande fühle, Daniel. Mal sehen, was morgen ist.«
»Dr. Taylor?«
Er öffnete die Augen. Mrs Beebe stand in der Wohnzimmertür.
»Hmm?« Er war im Sessel eingeschlafen, müde von der Kutschfahrt und den langen Nächten im Heim
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