Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
kenne, sind allesamt ältere, robuste, recht ungebildete Frauen – ganz anders, als Sie auf mich wirken. Dennoch habe ich keine Zweifel, dass Sie sich als äußerst fähig erweisen werden, sollte Sie eine solche Stellung wirklich reizen.«
»Ich hätte bis vor Kurzem selbst nicht daran gedacht. Wahrscheinlich entspricht die Stellung einer Gouvernante oder Gesellschafterin eher meiner Erziehung.«
»Ich fürchte, im Moment brauche ich weder das eine noch das andere.« Er lächelte ironisch. »Und zurzeit habe ich auch eine sehr erfahrene Pflegerin. Eine Hebamme gibt es hier auch schon – Mrs Henning, die Sie ja bereits kennengelernt haben. Sie kommt allerdings allmählich in die Jahre. Vielleicht dürfte ich mich irgendwann in der Zukunft in dieser Sache an Sie wenden?«
»Das dürfen Sie. Obwohl ich gestehen muss, dass ich in diesem Fall noch sehr viel lernen müsste.«
»Wie wir alle, Miss Lamb. Aber ich habe keine Bedenken, was das betrifft. Sie werden eine sehr begabte Schülerin sein. Haben wir also eine Abmachung?«
Sie nickte. »Wir haben eine Abmachung.«
»Und trennen wir uns … als Freunde?«
Sie lächelte. »Ja, als Freunde.«
Daniel hatte das Gespräch aus der Ferne beobachtet. Es dauerte länger, als er gedacht hatte und sie ohrfeigte Kendall nicht, wie er fest angenommen – oder gehofft – hatte. Und das Nicken jetzt, die leichte Verneigung, als sie sich trennten, das Lächeln auf dem Gesicht seines Freundes waren nicht misszuverstehen. Sie war einverstanden. Daniel wollte nicht darüber nachdenken, was das bedeutete … oder darüber, warum sein Herz sich anfühlte, als ob es in Stücke brechen wollte.
27
Sie werden Ihr Kind selbst stillen, wenn Sie können; seien Sie nicht so töricht, es nicht zu tun, nur weil Sie eine jener leichtfertigen Frauen sein möchten, die ein bequemes Leben haben wollen.
Cotton Mather, Ornaments for the Daughters of Zion , 1692
(Man beachte: Mathers eigene Kinder hatten eine Amme)
Vor der versammelten Familie und Dienerschaft verabschiedete Charlotte sich von Mr und Mrs Taylor. Das Ganze war eine sehr formelle, fast steife Angelegenheit. Um ihren Kummer nicht zu verraten, warf sie absichtlich nur einen kurzen Blick zu Sally und Anne hinüber. Sie war die halbe Nacht wach gewesen, hatte die Kleine im Arm gehalten und Abschied von ihr genommen. Jetzt ignorierte sie Maries Feixen und lächelte Mrs Beebe zu, die sie heute Morgen in der Küche spontan umarmt hatte und ihr, ohne auf ihren Widerspruch zu achten, ein Päckchen mit Proviant und ein paar Münzen in die Tasche gesteckt hatte. Jetzt musste Charlotte sich auf die Lippen beißen, damit sie nicht zitterten. Sie drehte sich um und verließ das Cottage, ihr Ridikül am Arm und einen dicken Kloß im Hals.
Thomas ging diesmal zu Fuß mit ihr nach Old Shoreham. Er trug ihr Gepäck, als hätte es kein Gewicht.
Als sie an die Brücke kamen, näherte sich von der anderen Seite eine Familie. Der Vater trug ein Kind auf dem Arm, die Mutter hielt die Hand eines kleinen Jungen. Sie und Thomas traten beiseite, ans Geländer, um sie vorbeizulassen. Als sie vorüber waren, ging Charlotte weiter. Plötzlich merkte sie, dass Thomas stehen geblieben war.
Sie ging zurück und sah ihn fragend an.
»Was ist denn?«
Er stand stocksteif da und sagte bockig: »Ich wünschte, ich könnte etwas tun.«
Sie blickte ihm ins Gesicht, das ungewöhnlich ernst war. »Thomas«, sagte sie sanft, »es gibt Dinge, die nicht einmal Sie in Ordnung bringen können.« Sie lächelte sanft. »Es ist gut so, wie es ist.«
Er drehte sich um, griff nach dem Brückengeländer und weigerte sich noch immer weiterzugehen.
Sie stellte sich neben ihn an das Geländer, eine Armlänge von ihm entfernt. Während sie nach unten, auf den Fluss, blickte, spürte sie seinen inneren Aufruhr und wie er fieberhaft nachdachte.
Aber was konnte er tun? Sie wusste, dass er alles Geld, das er übrig hatte, seiner Mutter gab, um seine vielen Geschwister zu unterstützen. Selbst wenn er bei einem Arzt in die Lehre ginge, würde er noch viele Jahre kaum etwas verdienen. Ganz sicher dachte er noch nicht daran zu heiraten – und wenn doch, dann jedenfalls nicht sie. Oder?
Charlotte schloss die Augen und merkte, wenn sie jetzt nichts sagte, würde er sprechen. Ohne ihm das Gesicht zuzuwenden, sagte sie fröhlich: »Ich habe Sally erzählt, wie es zwischen uns war.«
Sie hörte, wie er einen Schritt näher zu ihr trat. Seine Stimme klang unsicher: »Ja?«
Sie warf
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