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Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Titel: Die Lady von Milkweed Manor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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ihn.
    »Bleiben Sie bei ihr«, wies er sie an. Dann lief er aus dem Zimmer. Immer drei Stufen auf einmal nehmend, rannte er die Treppe hinauf und klopfte an die Tür des Kinderzimmers. Sally öffnete. Ihr Gesicht war totenblass. Sie hatte offensichtlich gehört, was unten vor sich ging.
    »Sally, bitte nehmen Sie Anne und packen Sie zusammen, was Sie brauchen. Ich bringe euch beide ins Dorf. Ich möchte, dass Sie vorerst im Red Lion bleiben. Hier …« Er zog mehrere Banknoten aus dem Portemonnaie und gab sie ihr. »Das müsste für eine oder zwei Nächte reichen.«
    »Ja, Sir.«

    Nachdem er Sally und Anne sicher im Gasthaus untergebracht hatte, fuhr er weiter zu Kendalls Praxis.
    »Richard«, begann er, mit dem Hut in der Hand vor dem Schreibtisch seines Freundes stehend, »ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich bin mit meinem Latein am Ende. Lizette hat mich gebeten, sie nicht ins Manor House zu bringen, aber jetzt … ich muss auch an Anne denken … ich muss ein besser ausgestattetes Asyl für sie finden.«
    »Es gibt ein oder zwei, die ich dir empfehlen kann.«
    »Bitte. Komm noch einmal mit. Vielleicht gibt es ja noch irgendetwas, was ich zu tun vergessen habe.«
    »Selbstverständlich.« Richard stand auf und folgte ihm nach draußen.

    Doch die Szene, die sie empfing, war völlig anders, als sie erwartet hatten. Das Cottage war blitzblank aufgeräumt. Der Spiegel fehlte zwar, doch die Glasscherben waren zusammengefegt und weggebracht worden und die Nachmittagssonne tauchte das Zimmer in ein friedliches, goldenes Licht. Lizette blickte ihnen von einem makellos gedeckten Teetisch entgegen, auf dem Platten mit Sandwiches und kleinen Kuchen standen. Sie selbst sah fröhlich und wunderschön aus. Sie trug ein rosafarbenes Kleid, ihr Haar war hochgesteckt, ihr Gesicht hatte sie gepudert. Sie hatte sogar die Perlenkette angelegt, die Daniel ihr vor langer Zeit geschenkt hatte und die sie nur selten herausholte.
    Sie begrüßte die beiden Männer herzlich. »Willkommen, Gentlemen.« Daniel trat ins Zimmer, Kendall dicht hinter ihm.
    »Hallo, Liebling.« Sie stand auf und lächelte ihn an, als er auf sie zukam. Ihre Augen leuchteten. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange.
    »Dr. Kendall, wie schön, Sie wiederzusehen. Nehmen Sie doch Platz!«
    Beide Männer waren sprachlos. Sie legten ihre Hüte hin und setzten sich, wie sie sie gebeten hatte. Ehrfürchtig sahen sie zu, wie Lizette mit geübter Hand und voller Anmut Tee einschenkte.
    »Dr. Kendall, wie möchten Sie Ihren Tee?«
    »Äh … nur mit Milch, danke.«
    Gelassen erfüllte sie seinen Wunsch und reichte ihm die Tasse.
    »Und mein Mann nimmt Zucker, das weiß ich. Hier, bitte, das ist für dich, mein Lieber.«
    »Danke.«
    Daniel starrte sie an. Dann wechselten er und Kendall einen Blick. Beider Staunen wuchs – wie ihre Hoffnung.

    »Es passiert manchmal«, sagte Kendall nachher zu ihm. Sie waren in Daniels Arbeitszimmer gegangen und hatten die Tür geschlossen. »Die Wirkung mancher Heilmittel kann verzögert einsetzen oder die Frau findet aus eigener Kraft zu ihrem seelischen Gleichgewicht zurück.«
    »Aber wird es von Dauer sein?«
    »Ich weiß es nicht. Möglich.«
    »Gott sei Dank.«
    »Ja, wirklich.«
    »Könntest du mir einen Gefallen tun und beim Gasthaus anhalten und Sally Mitchell ausrichten, dass sie zurückkommen kann?«
    Kendall schwieg kurz, dann nickte er. »Natürlich sage ich ihr, dass sie zurückkommen kann … morgen früh.« Er lächelte Daniel zu, setzte seinen Hut auf und drehte sich auf dem Absatz um.
    Für einen ledigen Mann war Kendall höchst scharfsinnig.

30
    Bei einer Wochenbettpsychose kommt es vor, dass die Patientin flucht, bellt,
Gedichte aufsagt oder Zoten reißt, Radau macht … Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, damit sie sich selbst, ihrem Kind oder ihren Freunden keinen Schaden zufügt.
    Robert Googh, Arzt des frühen 19. Jahrhunderts
    Am folgenden Morgen kam Daniel pfeifend die Treppe herunter. Ihm war durchaus bewusst, dass er damit einem Klischee entsprach, doch er konnte das zufriedene Lächeln nun einmal nicht aus seinem Gesicht verbannen. Der Tag war sonnig und genau so lag die Zukunft vor ihm.
    In der Küche stieß er auf Sally Mitchell, die gerade genüsslich einen Keks verspeiste.
    »Sie sind aber früh zurückgekommen. Wie geht es Anne?«
    »Sie ist auf dem Heimweg eingeschlafen. Ich habe sie hingelegt. Im Gasthaus war es letzte Nacht sehr laut. Wir haben beide nicht

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