Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
finden soll. Komm doch mal mit. Ein freier Abend hin und wieder würde dir auch guttun, oder nicht?«
»Du bist lieb, dass du an mich denkst. Aber Anne …«
»Meine Schwester kann auf sie und Dickie aufpassen. Ich weiß, dass sie das tun würde.«
»Anne wird noch gestillt, deshalb kann ich schlecht weg. Du weißt ja selbst, wie es ist.«
»Ja.« Sallys Gesicht überschattete sich.
»Ich wollte nicht …«
»Ist schon gut, Miss Charlotte. Ich weiß, was ich falsch gemacht habe, ob man mich nun daran erinnert oder nicht.«
»Es ist doch schon vergessen, Sally.«
»Nicht von den Harris'. Und nicht von mir.«
»Ach, Sally …« Charlotte langte hinüber und drückte die Hand ihrer Freundin. »Irgendwann in nächster Zeit komme ich gerne einmal mit euch mit.«
Charlotte blickte auf und sah, dass Dr. Taylor in der Tür stand. Er sah betroffen aus. Wie viel von dem Gespräch hatte er mitangehört?
Einige Tage später setzte Dr. Taylor sich dazu, als Charlotte Porridge in Annes offenes Schnäbelchen löffelte. Sie sah zu ihm hinüber und er räusperte sich. »Miss Lamb, ich habe mich gefragt, ob es nicht Zeit wird, Anne abzustillen. Sie nimmt ja jetzt auch schon andere Nahrung zu sich.«
Sie blickte auf den Löffel in ihrer Hand. »Ja, ich weiß. Aber ich wollte sie eigentlich mindestens ein Jahr lang stillen.«
»Ah – gut. Wie Sie möchten.« Er ging zur Tür.
Charlotte drehte sich um, Sie hielt den Löffel noch immer erhoben. »Aber wenn Sie möchten, dass ich aufhöre, dann tue ich es natürlich.«
»Ich habe mich nur gefragt …«
Und dann wurde es ihr mit einem Mal klar. Er wollte sie gerne loswerden. Ihr Herz klopfte schmerzhaft.
Aber auf keinen Fall würde sie seine Gastfreundschaft überbeanspruchen.
Sie hatte nicht erwartet, dass es so schwer werden würde. Am nächsten Morgen, als ihre Brüste wie immer prall gefüllt waren, war sie drauf und dran, ihren Entschluss aufzugeben. Aber Anne war unruhig und wollte nicht richtig trinken. Immer wieder hörte sie auf und drehte sich weg.
»Du musst doch Hunger haben …« Was war denn nur los? Hatte Charlotte etwas gegessen, das ihre Milch verdorben hatte? Das schien ihr sehr unwahrscheinlich. Sie verzog das Gesicht. »Man könnte beinahe denken, du hast verstanden, was dein Vater gestern über das Abstillen gesagt hat …« Schließlich gab sie auf. Sie hoffte nur, dass die Kleine nicht krank wurde.
Am nächsten Morgen war es wieder das Gleiche. Anne trank, wandte sich ab, versuchte es wieder. Charlotte streichelte ihren kleinen Bauch. »Was ist denn, mein Liebling? Tut dir etwas weh?«
Plötzlich schoss ein scharfer Schmerz durch ihre Brust. Charlotte schrie auf und zuckte zurück. Anne begann erschrocken zu weinen. Der Schmerz war so heftig, dass Charlotte Tränen in die Augen stiegen. Als sie Anne, die mit weit offenem Mündchen weinte, ansah, fiel ihr der kleine weiße Kern auf, der durch ihren rosafarbenen Gaumen gedrungen war. Ihr erster Zahn.
»Du hättest mich nicht beißen dürfen. Das tut doch weh.«
Anne weinte nur noch lauter.
»Aber, aber. Ist ja schon gut. Ich weiß doch, dass du es nicht wolltest. Zumindest hoffe ich, dass du es nicht wolltest.«
Danach schienen beide entschlossen, sich voneinander zu entwöhnen. Charlotte wappnete sich für die nächsten Male, wenn Anne trinken würde. Aber Anne schien ihre Angst zu spüren; sie wirkte angespannt und trank nur wenig. Am schwierigsten für sie waren die Nächte, wenn sie sich an Charlotte kuschelte und aus dem Bedürfnis nach Trost und Nähe heraus trinken wollte. Dann tat Charlotte ihr den Gefallen. Für sie selbst war es morgens am schwersten, wenn sie sich nach der Erleichterung, nach dem Nachlassen des Drucks sehnte, den Annes Trinken ihr brachte. Doch allmählich stellte sie fest, dass ihre Brüste nicht mehr so prall gefüllt waren. Abends, wenn Anne am unruhigsten war, schien Charlotte ihr nur sehr wenig Milch bieten zu können, denn sie hörte immer bald wieder auf zu trinken.
Sie hatte sich zwar entschieden, Anne abzustillen, doch jetzt, da sie bald vor vollendeten Tatsachen stehen würde, empfand sie vor allem Angst und Trauer. Sie wusste, wenn es vorbei war, gab es kein Zurück mehr. Ihre einzigartige Rolle im Leben dieses Kindes war dann vorüber. Sie würde ersetzbarer sein als je zuvor. Anne würde sie nicht mehr brauchen. Wie sollte sie sich nun ihren Lebensunterhalt verdienen? Sie hatte diesen Beruf nicht gewollt, aber was sollte sie jetzt tun?
Ihre Brüste
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