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Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Titel: Die Lady von Milkweed Manor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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hatten. Die Diener benutzten es als Durchreiche für das gebrauchte Geschirr.«
    »Hier wird kein gebrauchtes Geschirr durchgereicht, sondern Babys, die keiner haben will. Auf diese Weise braucht die arme Mutter nicht einmal ihr Gesicht zu zeigen. Sie legt ihr Kind in den Behälter und läutet. Mrs Krebs dreht dann das Ganze um und das Baby kommt herein.«
    »Arme Dinger.«
    »Ja. Eine Frau muss schon ziemlich verzweifelt sein, wenn sie ihr Kind im Stich lässt.«
    Charlotte hatte eigentlich die im Stich gelassenen Babys gemeint, aber sie sagte nichts.
    »Manchmal legt eine Mutter, die am Verhungern ist, ihr Kind in den Einschub, kommt dann zur Vordertür und fragt nach Arbeit als Amme, in der Hoffnung, ihr eigenes Kind stillen zu können und noch etwas zu essen und ein wenig Geld dafür zu bekommen.«
    »Aber warum tun sie das?«
    »Weil sie am Verhungern sind oder keine Bleibe haben, kein Geld, keine Arbeit. Wie sollen sie mit einem Neugeborenen, das alle paar Stunden gestillt werden muss, Arbeit finden?«
    »Oh.«
    »Komm weiter.«
    Sie gingen den langen Flur hinunter, vorbei an einem schwach erleuchteten Raum zu ihrer Linken, in dem Bettchen, und einem anderen, in dem Schaukelstühle standen. In fast jedem saß eine Frau, die ein oder manchmal sogar zwei Babys gleichzeitig stillte. Charlotte hatte noch nie eine Frau beim Stillen gesehen, und obwohl das meiste von einer Decke oder von dem Kind abgedeckt war, spürte sie doch, wie sie bei dem intimen Anblick errötete.
    »Siehst du die Tür auf der anderen Seite des Gangs? Dort halten wir Ammen abwechselnd ein Schläfchen.«
    »Sally! Gut, dass du noch da bist, ich brauche deine Hilfe.« Eine ältere Frau, vielleicht Ende fünfzig, trat zu ihnen. Ihr aschgraues Haar war auf dem Hinterkopf zu einem losen Knoten zusammengesteckt und sie trug eine große, schmutzige Schürze über ihrem schlichten schwarzen Kleid.
    »Mrs Krebs, das ist Miss Charlotte Smith.«
    »Guten Tag, Mrs Krebs.« Charlotte trat vor und streckte die Hand aus. »Ich möchte Ihnen gern helfen, wenn ich darf.«
    Die Frau sah den Flur hinunter und schien ihre Hand nicht zu bemerken. »Sie kommen gerade richtig, um bei den Ziegen zu helfen.«
    »Ziegen?«
    »Ja, ja, kommen Sie nur.«
    Charlotte schaute Sally an. Die seufzte, nickte und ging der bereits energisch auf die Tür zustrebenden Kollegin nach.
    »Du bist doch auf einem Bauernhof aufgewachsen, oder, Sally?«, fragte Mrs Krebs über die Schulter.
    »Ja.«
    »Und Sie, Miss Smith?«
    »Nein, ich fürchte, ich nicht.«
    »Egal, ein Paar willige Hände sind uns stets willkommen.« Sie blieb an einem Tischchen neben einer geschlossenen Tür stehen. »Aber setzt die Masken auf und zieht Handschuhe an. Dr. Taylor hat es so angeordnet.«
    Sally zog ein Paar enge Handschuhe an und befestigte eine Baumwollmaske über ihrem Mund und ihrer Nase.
    Charlotte zögerte.
    »Ist es auch nicht gefährlich? Für mein eigenes Kind, meine ich?«
    »Dr. Taylor hat mir versichert, dass es nur durch direkten Kontakt mit den Geschwüren übertragen wird«, sagte Mrs Krebs. »Die armen Lämmchen haben sich noch vor der Geburt bei ihren Müttern angesteckt.«
    Mrs Krebs stieß die Tür auf und ging hinein. Sally und Charlotte blieben auf der Schwelle stehen und nahmen den Anblick in sich auf.
    Der Raum stand voller Bettchen und war erfüllt von Kindergeschrei. In einer Ecke stand eine Amme über eines der Betten gebeugt und versuchte, ein Kind mit einer Art Schlauch zu füttern. Dr. Taylor stand neben ihr, die Arme auf dem Rücken, und gab ihr ruhig Anweisungen. Er blickte hoch, als die Tür aufging. Seine Augen verengten sich einen Moment, als er sie sah.
    An einer breiten, an eine Stalltür erinnernden Tür auf der anderen Seite des Raums ertönte ein Klopfen.
    Die alte Mrs Krebs eilte mit beeindruckend jugendlicher Energie an den Betten mit den erbärmlich schreienden Kindern vorbei. Sie öffnete den Durchlass und ein junger Mann kam herein, gefolgt von zwei Ziegen, einer schwarzen und einer weißen.
    »Was machen sie denn mit den Ziegen?«, flüsterte Charlotte.
    »Du wirst schon sehen«, sagte Sally und betrat den Raum.
    Charlotte, noch immer besorgt, blieb im Türrahmen stehen und wurde Zeugin eines Schauspiels, das sich ihr unauslöschlich einprägte. Die Ziegen sprangen mit sichtlichem Eifer, laut meckernd, herein. Die Schwarze trottete die eine Bettenreihe hinunter, die Weiße die andere. Plötzlich sprang die weiße Ziege behände auf das erste Bettchen und

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