Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
…«
»Anscheinend habe ich noch nicht wieder meine alte Figur, wenn du dachtest, dass ich noch schwanger bin! Vielleicht sollte ich mich bei den Marmeladentörtchen etwas zurückhalten.«
Bess und Mae lachten.
»Es tut mir leid, Sally.«
»Schon gut, Miss Charlotte. Ich war schon immer ein ziemlich kräftiges Mädchen – ich bin es gewohnt.«
»Dein Junge, ist er …?«
»Ich habe eine Schwester, die für mein Lämmchen sorgt. Ich selbst arbeite hier als Amme, bis ich einen besseren Platz finde.«
»Einen Platz?«
»Als Amme natürlich. Die Bezahlung ist gut und man schläft in schönen warmen Kinderzimmern in einem vornehmen Haus. Mir gefällt das.«
»Aber wer stillt dein eigenes Kind?«
»Ich sagte es doch, meine Schwester. Sie ist eigentlich ständig schwanger und hat auch jetzt einen kleinen Daumenlutscher, den sie stillt. Es macht ihr nichts aus, noch ein zweites zu stillen.«
»Du hast Glück«, sagte Mae. »Meine Schwester musste ihr Kind hergeben, um eine Stelle als Amme zu bekommen. In einer dieser Säuglingsanstalten, wo eine Amme drei oder vier Kinder stillen muss. Das arme Ding ist fast verhungert.«
»Warum hat sie es dann getan? Warum überlässt man sein eigenes Kind zum Stillen einer Fremden?«
»Die ist ganz schön bekloppt«, sagte Bess leise, aber gerade so, dass es alle hörten.
»Wegen des Geldes, meine Liebe«, erklärte Sally. »Wenn sie nicht arbeitet, verhungert sie – und ihr Kind mit ihr.«
»Tut mir leid. Wahrscheinlich konnte ich mir eine solche Armut einfach nicht vorstellen. Ich könnte das nicht, mein eigenes Kind verlassen, um ein fremdes zu stillen.«
»Pass auf, was du sagst, Charlotte«, warnte Sally freundlich. »Ich wette, noch vor einem Jahr konntest du dir nicht vorstellen, dass du einmal an einem Ort wie diesem wohnen würdest.«
»Da hast du allerdings recht.«
»Wie … kam es, dass du hier bist, Charlotte?«
»So wie bei allen anderen, nehme ich an.« Doch sie spürte, wie ihr eine tiefe Röte ins Gesicht stieg.
»Aus irgendeinem Grund bezweifle ich das«, sagte Mae. »Wer war der Kerl? Ein Baron, oder? Irgendein durchtriebener Lord, der dir die Ehe versprochen hat?«
»Vielleicht hat sie sich ja in einen Diener verliebt und ihr Vater hat ihr verboten, ihn zu heiraten«, sagte Becky wehmütig.
»Mädchen, ihr sollt Charlotte nicht so necken«, schalt Sally. »Man sieht doch, dass sie eine Lady ist.«
Bess schnaubte. »Wohl eher eine Lady war!«
Sally legte ihre Hand auf Charlottes. »Hör nicht auf sie, Charlotte. Für mich bist du immer noch eine Lady. Du gebrauchst so schöne Worte und bist immer so höflich …«
»Mit schönen Worten und guten Manieren wird sie hier nicht weit kommen«, meinte Mae.
»Vielleicht wird es ja einen Unterschied machen, wenn ihre Zeit gekommen ist. Ich kann sie schon hören.«
Bess imitierte einen übertriebenen Oberschicht-Akzent. »Dr. Preston, wären Sie vielleicht so ausnehmend freundlich, diese Melone aus meiner Mitte zu entfernen?«
Mae fiel ein: »Verzeihen Sie, aber die Schmerzen sind so stark, dass ich fürchte, ich muss mir die Seele aus dem Leib schreien.«
Die anderen lachten gutmütig und Charlotte konnte ihnen nicht böse sein. Aber die helle Röte lag immer noch auf ihrem Gesicht. Und zum ersten Mal verspürte sie leise Furcht vor der Entbindung.
Charlotte wollte gerade die Kerze auf ihrem Nachttischchen ausblasen, als ein lauter Schrei durch die Tür drang. Mae, die neben ihr lag, murrte ärgerlich, die kleine Becky schlief weiter. Charlotte stand auf, warf ihren Morgenmantel über, nahm die Kerze und trat zögernd auf den Gang hinaus. Sie blieb stehen und lauschte. In dem alten Herrenhaus zog es gewaltig, die Kerzenflamme tanzte wild im Luftzug. Sie hörte keine Schreie mehr, aber sich nähernde Schritte. Sie zögerte. Sollte sie lieber im Zimmer bleiben? Wie töricht! Sie tat schließlich nichts Unrechtes. Zweifellos hatten bei einem der Mädchen die Wehen eingesetzt.
Dr. Taylor erschien am Ende des Flurs, rote Bartstoppeln im müden, abgespannten Gesicht.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie.
»Miss Lamb. Sie haben mich erschreckt.«
»Verzeihen Sie … Ich dachte, ich hätte jemand schreien hören.«
»Wirklich?«
»Ja. Liegt eines der Mädchen in den Wehen?«
»Äh … nein. Es war falscher Alarm.«
»Oh, ich verstehe. Geht es Ihnen gut, Mr – verzeihen Sie – Dr. Taylor? Ich glaube, daran muss ich mich erst noch gewöhnen.«
»Das ist schon in Ordnung. Und ja, es geht mir
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