Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
eindeutig amüsiert, zwang sich aber rasch wieder zu einer ernsten Miene. »Leider besitze ich nicht Ihre innere Stärke, Sir. Und auch nicht Ihre Bescheidenheit.«
»Nun, Sie sind noch jung.« Der Pfarrer seufzte. »Aber ich fürchte, die Kirche ruft mich gerade jetzt.« Er stand aus dem Sessel auf. »Eine Sitzung mit dem Kirchenvorstand. Es geht um die Reparaturen der Südkapelle und des Kirchenschiffs. Sie entschuldigen mich.«
Mr Bentley erhob sich ebenfalls.
»Behalten Sie doch Platz! Plaudern Sie noch ein wenig mit den Damen. Beatrice, vielleicht könntest du Mr Bentley etwas vorspielen?«
»Ich glaube, es ist noch ein wenig früh am Tag …«
»Oh bitte, Miss Lamb, spielen Sie doch! Ich würde mich freuen!«
Bea sah Mr Bentley an, als wolle sie prüfen, ob er es ernst meinte. »Sehr gern.«
Ihr Vater verließ das Zimmer. Bea ging langsam zum Klavier und setzte sich. Sie blätterte durch die Partituren und begann, ein düsteres Stück zu spielen, dessen traurige Weise ihre ernste Haltung noch betonte. Doch plötzlich schien ihr mitten im Spiel ihr Gast wieder einzufallen und sie hielt inne.
»Verzeihen Sie mir, das ist nicht ganz passend.«
»Aber sehr eindrucksvoll«, sagte Mr Bentley und warf ihr einen bewundernden Blick zu.
Tibbets klopfte und trat ein. »Entschuldigen Sie, Miss Charlotte, aber Digger sagt, es sei Zeit.«
Charlotte erhob sich, doch Bea antwortete für sie. »Tibbets, wir haben einen Gast. Digger soll warten.«
»Ich gehe schon«, sagte Charlotte freundlich. »Danke, Tibbets. Sag dem jungen Higgins, ich komme gleich.«
»Ja, Miss.«
Bea schüttelte missbilligend den Kopf. Sie sprach zu Mr Bentley, aber ihr Blick haftete auf ihrer Schwester. »Charlotte scheint nichts mehr zu lieben, als den ganzen Tag in der Erde zu wühlen und sich mit Pflanzen zu beschäftigen. Sie verbringt mehr Zeit draußen als drinnen.«
»Ihr Garten ist wundervoll«, räumte Mr Bentley ein. »Aber warum hinausgehen, wenn es hier drinnen so viel Schönes zu bewundern gibt?« Er lächelte Bea bedeutsam zu.
Charlotte verzog ihrerseits den Mund zu einem etwas schiefen Lächeln. »Es tut mir leid, Bea, aber ich habe Ben Higgins gebeten, mich rufen zu lassen, sobald der Strauch geliefert wurde. Verzeihen Sie mir, Mr Bentley. Sie müssen uns für recht ungezogen halten. Erst läuft mein Vater weg, dann ich.«
»Nicht doch, Miss Charlotte. Schließlich kam mein Besuch völlig überraschend.«
»Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis. Vielleicht kommen Sie bald einmal wieder. Bleiben Sie lange bei Ihrem Onkel?«
»Ich weiß es noch nicht. Auf jeden Fall ein paar Tage.«
»Dann besuchen Sie uns doch bitte noch einmal.« Es war keineswegs Charlottes Aufgabe, ihn einzuladen, das wusste sie und konnte Beas stummen Tadel förmlich spüren.
Doch der junge Mann lächelte strahlend. »Danke sehr, das tue ich ganz bestimmt.«
Er verbeugte sich vor Charlotte und sie lächelte ihn an. Bea starrte sie über den geneigten Kopf des Mannes ärgerlich an. Charlotte zuckte die Achseln und verließ das Zimmer.
Draußen setzte sie sich in der Eingangshalle auf die Bank zwischen Wohnzimmer und Haustür. Sie streifte die Schuhe von den Füßen und bückte sich schließlich, um die zahlreichen Knöpfe an ihren kalbsledernen Gartenschuhen zu schließen. Aus dem Wohnzimmer nebenan drangen die Klänge einiger perlender Läufe.
»Bitte verzeihen Sie meiner Schwester, Mr Bentley«, sagte Bea. »Ich weiß nicht, was sie sich gedacht hat, wegen einer Pflanze einfach wegzulaufen.«
Charlotte fuhr erschrocken zusammen. Sie hatte nicht gedacht, dass sie von hier aus ein Gespräch im Wohnzimmer mitanhören konnte. Bea hatte offenbar ebenfalls keine Ahnung.
»Was ist so wichtig an diesem Baum?«, erkundigte sich Mr Bentley.
»Ach, Charlotte möchte ein paar Sträucher auf dem Grab unserer Mutter pflanzen.«
»Sie hing offenbar sehr an ihr.«
»Mag sein.« Bea stimmte eine fröhliche Quadrille an.
William Bentley sprach lauter, um die Musik zu übertönen. »Wissen Sie, mein Onkel hat mehr als einmal erwähnt, was für ein hübsches Mädchen aus Charlotte Lamb geworden ist. Deshalb hielt ich anfangs, als ich ins Zimmer kam, Sie für Charlotte.«
Ein Missklang, eine halbe daneben gegriffene Note, ertönte und Bea hörte abrupt auf zu spielen. »Mr Harris findet Charlotte … hübsch?«
Charlotte in der Halle hielt mit dem Knöpfen inne.
»Ich nehme an, er meinte, dass sie ein hübsches Mädchen ist, ein hübsches junges Ding. Aber
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