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Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Titel: Die Lady von Milkweed Manor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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solche Vorgänge verhärten oder sich eine andere Arbeit suchen.«
    »Ich werde mich nie daran gewöhnen.«
    Er nickte verständnisvoll, wartete einen Augenblick, trat dann näher und murmelte: »Kommen Sie, Charlotte.« Er streckt die Hand aus. Mit einem Nebengedanken bemerkte sie, dass er ihren Vornamen gebrauchte, doch im Moment war ihr das völlig gleichgültig.
    Sie ließ es zu, dass er ihr auf die Füße half. Die Geburt rückte näher und es fiel ihr allmählich schwer, sich ohne Hilfe von einem Stuhl zu erheben, auch wenn sie nicht völlig verzweifelt war, so wie jetzt.
    »Kommen Sie«, wiederholte er. »Ich bringe Sie in Ihr Zimmer.«
    Er nahm ihren Arm und führte sie behutsam ins Haus zurück und den Flur entlang.
    »Habe ich etwas falsch gemacht?«, fragte sie unter Tränen. »Ist er deshalb …?«
    »Nein, Charlotte, nein. Ich bin sicher, dass der kleine Junge durch Ihre Pflege länger gelebt hat, als wenn Sie sich nicht um ihn gekümmert hätten.«
    »Was hat es ihm schon genützt!«
    «Natürlich hat es ihm genützt. Es ist doch sehr viel besser, diese Welt als ein Wesen zu verlassen, das geliebt und umsorgt wird.« Er öffnete die Tür zu ihrem neuen Schlafzimmer. Sie hatte endlich ein eigenes Zimmer bekommen. »Und nun ab ins Bett mit Ihnen. Bald haben Sie ein eigenes Kind. Sie brauchen Ihren Schlaf.«
    Charlotte war gar nicht bewusst geworden, wie lange sie im Garten gesessen hatte. Es war bereits Abend. »Wenn Sie meinen. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Sie ging hinein und setzte sich auf ihr Bett. Dabei nahm sie nur am Rand wahr, wie er die Tür ihres Zimmers hinter sich schloss und seine Schritte sich leise entfernten. Vor ihrem inneren Auge war ein anderer Tod aufgetaucht. Sie zog ihr Schultertuch wie fröstelnd fester um sich und dachte zurück an jenen Augenblick.
    »Sie ist tot«, hatte der junge Mr Taylor gesagt und sie über die still daliegende Gestalt ihrer Mutter hinweg angesehen.
    Charlotte schluchzte auf. Sie spürte, dass ihr Inneres gleichsam einbrach, wie ein Schmetterlingskokon, von einem achtlosen Stiefel zertreten.
    Mr Taylor trat einen Schritt auf sie zu, als wolle er sie in den Arm nehmen, doch genau in diesem Augenblick stürmte Charles Harris ins Zimmer. Es wirkte, als sei er den ganzen Weg gerannt, sein gut aussehendes Gesicht war verzerrt.
    »Oh, Mr Harris!«, rief Charlotte. Sie drehte sich um und warf sich in seine Arme. Er zog sie fest an sich.
    »Meine liebe Charlotte. Liebe, liebe Charlotte …«, murmelte er in ihr Haar. »Es tut mir so leid.«
    Sie weinte an seiner Brust und spürte, wie er ihr sacht über den Rücken strich, während er Worte flüsterte, die sie trösten sollten. Doch es gab keine Worte, um den brennenden Schmerz in ihrem Innern zu lindern. Undeutlich nahm sie wahr, dass Mr Taylor das Zimmer verließ, war aber zu verstört, um sich weiter darum zu kümmern.

    Daniel Taylor ging nicht mehr so oft in den Klub wie früher. Er suchte ihn ohnehin nicht wie die anderen Männer zum Trinken und Kartenspiel auf. Für ihn war ein Besuch im Klub viel eher eine gesellschaftliche Pflicht, die sein Beruf ihm abverlangte und die, wie er hoffte, dem Aufbau seiner Privatpraxis förderlich war. Doch heute Abend stand ihm der Sinn nicht nach Small Talk; er war erschöpft und ausgelaugt und wollte sich nur ein paar Minuten ausruhen, bevor er nach Hause ging.
    An einem Tisch saßen einige Stammgäste mit zwei gut gekleideten neuen Mitgliedern zusammen. Daniel erkannte die beiden sofort, obwohl er sie zuletzt vor recht langer Zeit und an einem völlig anderen Ort gesehen hatte.
    »Nun ist der tolle Charles Harris also endlich verheiratet«, sagte der silberhaarige Mr Milton und hob sein Glas zum Gruß für den älteren und dunkleren der beiden Neulinge.
    »Ja, und zwar schon fast ein halbes Jahr.«
    »Viele Mädchen weinen sich noch heute die Augen aus dem Kopf, das könnt ihr mir glauben«, stimmte ein anderer Gentleman fröhlich zu. Er trug einen sorgfältig gewachsten und gezwirbelten Schnurrbart.
    »Miss Lamb gehört bestimmt auch dazu«, sagte eine jüngere Stimme.
    Der junge Mann – er musste um die zwanzig sein – war der andere der beiden Gentlemen, die Daniel zuletzt in Kent gesehen hatte. William Bentley saß neben Mr Harris – seinem Onkel, wenn Daniel sich recht erinnerte. Harris starrte seinen Neffen verblüfft an. »Miss Lamb?«
    »Ich glaube, sie war völlig am Boden wegen Ihrer Heirat.«
    »Nein, da irrst du dich bestimmt.«
    »Kommen Sie schon, Onkel.

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