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Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Titel: Die Lady von Milkweed Manor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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eingeladen.«
    »Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«
    »Offenbar lieben die Leute es nicht, an Krankheit und Tod erinnert zu werden – und ich fürchte, genau daran denken sie, wenn sie mich sehen. Sie etwa nicht?«
    »Nun, ich weiß nicht. Ich …«
    »Verzeihen Sie, Miss Lamb. Ich hatte nicht die Absicht, Ihnen heute Abend die Freude zu verderben.«
    »Jetzt weiß ich, warum eine Gastgeberin gut beraten ist, wenn sie Sie von der Gästeliste streicht.« Sie lächelte ihn an. Es war offensichtlich, dass sie ihn mit ihrer Neckerei ein wenig auflockern wollte.
    »Wenn Sie sich fragen, ob ich bei Ihrem Anblick an meine Mutter denke«, fuhr sie fort, »haben Sie vermutlich recht. Aber Sie brauchen nicht zu fürchten, dass Sie mir damit den Abend ruiniert haben. Meine Mutter ist meinen Gedanken nie sehr fern.«
    »Sie vermissen sie sehr, nicht wahr, Miss Lamb?«
    »Ja. Aber es ist kein krankhaftes Vermissen, hoffe ich. Ich denke oft an sie und versuche, mich an sie zu erinnern. Ich möchte meinen Kindern alles über sie erzählen können.«
    »Ich habe wenig Erinnerung an meine eigene Mutter – sie starb, als ich noch klein war.«
    »Das tut mir leid, Mr Taylor. Warum haben Sie es mir nie erzählt?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Schlimmer ist eigentlich, dass ich Sie nie gefragt habe.«
    »Sie hatten selbst genug Sorgen.«
    »Sie müssen mich für sehr egoistisch halten.«
    »Die Erinnerung an ihre Mutter ist nicht egoistisch, Miss Lamb. Oder wenn doch, dann ist es die beste Art von Egoismus, die man sich denken kann.«
    »Wissen Sie, meine Mutter war der selbstloseste Mensch, den ich je gekannt habe. Sie hätte für jeden Menschen alles getan, am meisten aber natürlich für ihre Kinder. Ich möchte gern eines Tages eine Mutter wie sie sein.«
    »Ich bin sicher, das werden Sie, Miss Lamb.«
    Die Musik setzte ein. Mr Taylor sah zu den Musikern hinüber und unsicher wieder zurück zu Charlotte.
    »Ich bin ein schrecklich schlechter Tänzer, Miss Lamb, aber vielleicht …«
    »Sehr gern, Mr Taylor. Aber leider … ich fürchte, ich habe die beiden ersten Tänze einem anderen Gentleman versprochen.«
    In diesem Augenblick tauchte der junge William Bentley aus einem Meer von Federhüten und raschelnden Röcken auf. Er sah sehr elegant aus in seinem Frack, der gestreiften Weste und der extravaganten Krawatte, die zweifellos zehn Mal so viel gekostet hatte wie Daniels. Immerhin hatte Daniel die Genugtuung, auf den Jungen heruntersehen zu können, denn dieser war kaum größer als Charlotte.
    »Da sind Sie ja, Miss Lamb«, sagte Bentley mit einer Verbeugung. »Ich komme, um das Versprechen einzufordern, das Sie mir gaben.«
    »Mr Taylor«, sagte Charlotte und wandte sich zu ihm, »darf ich Ihnen Mr William Bentley, den Neffen von Mr Harris, vorstellen? Mr Bentley, das ist Mr Daniel Taylor, Assistent unseres Hausarztes und langjähriger Freund der Familie.«
    »Arzt? Und Sie kennen Miss Lamb schon länger?«
    »Ein paar Jahre, ja.«
    »Damit sind Sie ja bestens qualifiziert, mir Ihre berufliche Meinung über sie mitzuteilen.«
    »Wie meinen?«
    »Wirkt sie nur so oder ist sie tatsächlich vollkommen?«
    »Mr Bentley, bitte«, protestierte Charlotte, »ich bin nicht vollkommen, wie Mr Taylor sehr wohl weiß.«
    »Wissen Sie es wirklich, Taylor? Hat sie irgendeinen verborgenen Makel, eine Krankheit, die ich noch herausfinden muss?«
    »Mr Bentley, Sie reden Unsinn. Kommen Sie, die anderen Paare tanzen schon.«
    »Gern. Sie entschuldigen uns, Mr Taylor.«
    Während Charlotte mit William Bentley tanzte, ging Daniel seinen Mantel holen. Dann suchte er seine Gastgeber, um ihnen zu danken und sich zu verabschieden. Er kam sich feige vor, weil er sozusagen mit eingeklemmten Rockschößen das Weite suchte, doch er hatte heute Abend schon seinen gesamten Mut aufgebraucht. Er war bereits auf dem Weg zur Tür, als die Musik verstummte und er sah, wie Bentley Charlotte vom Parkett führte, sich vor ihr verneigte und dann auf die Suche nach seiner nächsten Tanzpartnerin machte. Dann merkte er, dass Charlotte zu ihm herüberblickte. Sie musste ihn gesehen haben und dachte sich wohl, dass er gehen wollte, denn sie kam quer durch den Raum auf ihn zu und traf ihn am Treppenabsatz.
    »Mr Taylor, Sie wollen doch nicht schon gehen?«
    »Ich fürchte doch.« Er deutete auf den Mantel, der über seinem Arm lag.
    »Wie schade. Ich hoffte, noch den schrecklich schlechten Tänzer zu erleben, der Sie angeblich sind.«
    Er lachte. »Das dürfen Sie

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