Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
doch, warum denn so eilig?« Sie sah Dr. Taylor berechnend an. »Weiß sie Bescheid?«
Er öffnete den Mund, um, wie man an der Lippenbewegung sah, »Nein« zu sagen, denn was hätte er auch sonst sagen sollen, schloss den Mund jedoch wieder und setzte von Neuem an. »Miss Smith war … sie kennt meinen Vater, ja.«
Charlotte musste unwillkürlich lächeln, als sie an Daniels freundlichen Vater dachte. »Ja, er hat mein Baby auf die Welt geholt.«
Doch statt zurückzulächeln und ein Gespräch von Frau zu Frau zu beginnen, sah die Frau sie böse an.
»Ach wirklich? Und wann war das?«
Bevor Charlotte antworten konnte, fiel Daniel ihr ins Wort. »Nur weil Miss Smith eine Freundin der Familie ist. Ich kenne sie seit ihrer Mädchenzeit. Nicht wahr, Miss Smith?«
»Oh ja!«, sagte sie, als sie seinen bittenden Ton hörte, obwohl sie nicht so recht wusste, was sie sagen sollte. »Seit ich ganz klein war. Dr. Taylor ist ein alter Freund der Familie.«
»Genau«, sagte er, sichtlich erleichtert. »Seine einzige Patientin. Und jetzt lassen Sie uns anfangen. Ich möchte sichergehen, dass alles gut verheilt.«
»Klar wollen Sie das.« Die Frau sah ihn hochmütig an. Charlotte wunderte sich über den Sarkasmus in ihrer Stimme.
Eine Viertelstunde später saßen sie wieder in der Kutsche und Charlotte musste einfach fragen: »Hat diese Frau Sie irgendwie in der Hand?«
Daniel starrte mit leerem Gesicht geradeaus. »Ja.«
Das war alles, was er sagte, doch sein grimmiger Ausdruck und das, was sie heute Abend gesehen hatte, sagten ihr genug.
Sie nickte. Dann schwiegen sie wieder.
Ein paar Minuten später merkte Charlotte, dass sie einen anderen Rückweg eingeschlagen hatten. Plötzlich nahm Dr. Taylor hart die Zügel auf.
»Du meine Güte«, sagte er. »Jetzt habe ich ausgerechnet die Straße genommen, die ich vermeiden wollte. Vielleicht hat mein Pferd ja einfach den Weg eingeschlagen, den es am besten kennt, ohne mich zu fragen.«
»Was ist denn los?«
»Da sind eine Menge Kutschen vor uns. Wir sind gerade in die Pentonville Road eingebogen.« Er lehnte sich vor in dem Versuch, an der breiten Kutsche vor ihnen vorbeischauen zu können. »Hier stehen viele Herrenhäuser. In einem davon ist heute Abend anscheinend eine größere Veranstaltung.«
»Es ist sehr spät in der Saison für einen Ball«, überlegte Charlotte. »Vielleicht hat jemand Geburtstag.«
Die Kutsche vor ihnen fuhr wieder an. »Es geht weiter.« Sie rollten an einem großen Patrizierhaus vorbei und sahen, wie ein elegant gekleidetes Paar von einem Butler in schwarzer Livree eingelassen wurde.
»Es war nur diese eine Kutsche, die den ganzen Verkehr aufgehalten hat. Zum Glück. Wahrscheinlich waren sie ein bisschen spät dran.«
»Können wir bitte einen Augenblick anhalten?«
Sie wusste, dass er sie überrascht ansah, doch Charlottes Blick hing starr an dem Haus und dem goldenen Licht, das aus den Fenstern fiel.
»Hier bin ich schon einmal gewesen.«
Er lenkte das Pferd nach rechts und hielt am Straßenrand an.
»Ja, hier war ich einmal mit meiner Cousine Katherine. Es war meine erste Saison in London. Ich erinnere mich nicht mehr an den Namen der Familie, aber ich weiß noch, dass sie von dem Ort sagte, er befände sich ›am Rande der guten Gesellschaft‹.« Charlotte ahmte einen elitären Akzent nach. »›Wenn das Haus eine Straße weiter stünde, hätten wir die Einladung abgelehnt. Aber da die Familie die glänzendsten Bälle der ganzen Stadt gibt – wahrscheinlich, um die schlechte Adresse wiedergutzumachen –, lassen wir uns dazu herab, die köstlichen Speisen zu kosten, die sie servieren, und mit ihren gut aussehenden Gästen zu tanzen.‹« Sie lachte trocken. »Ich wusste damals nicht, wo ich mich befand und ob sie die Wahrheit sagte.«
Sie blickte ins Leere, schien in Erinnerungen zu versinken. »Bitte, ich möchte ein wenig näher herangehen. Nur einen Augenblick.«
»Aber …«
Sie erhob sich halb von ihrem Sitz und ließ ihm auf diese Weise keine andere Wahl, als auszusteigen – er hatte gerade noch Zeit, die Zügel festzubinden. Bevor er auf ihre Seite herumgehen konnte, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein, stand sie schon beinahe auf der Straße. Er bot ihr trotzdem noch seine Hand und sie nahm sie.
Dann lief sie eilig vor ihm her über die jetzt stille Straße. Dabei hörte sie seine Schritte dicht hinter sich. Er schloss rasch auf und blieb neben ihr.
Sie ging nicht die Treppe zum Eingang hinauf, sondern hob
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