Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
Hintergarten, das Baby im Arm.«
»Hat diese Demütigung denn nie ein Ende?« Bea warf sich in wenig damenhafter Weise aufs Sofa.
Amelia merkte, dass sie die Hand auf ihr Herz gepresst hatte. »Ich muss sagen, ich bin sprachlos …«
Gareth warf ihr einen wissenden Blick zu. »In der Tat?«
»Hat Charlotte dich gesehen?«
»Nein. Ich war zu weit weg. Ich …«, er rutschte unbehaglich hin und her, »ich hatte zufällig ein Opernglas dabei.«
»Sie kann nicht hierher zurückkommen«, betonte Bea. »Wirklich, Vater, das ginge zu weit.«
»Wenn dieser Mann doch nur seine Pflicht tun würde.« Mr Lamb schüttelte düster den Kopf. »Es gibt viele solcher Kinder. Sie haben eine gute Erziehung genossen und sich gut verheiratet. Manche haben sogar einen Titel geerbt …«
»Vater! Ich bezweifle, dass dieser spezielle Vater einen anderen Titel zu vergeben hat als den eines Hilfs-Totengräbers.«
»Beatrice!«, rief Amelia.
»Hast du eine andere Theorie, Tante? Eine bessere Erklärung?«
»Sie hat mir versichert, dass der Mann ein Gentleman ist.«
»Das ist wohl kaum möglich.«
»Sie macht ihm keine Vorwürfe, doch es scheint, als hätte er eine andere geheiratet.«
»Das hat sie gesagt?«
»Nicht direkt; aber ich habe es aus der Gewissheit geschlossen, mit der sie sagte, dass es keine Möglichkeit gibt, ihn umzustimmen.«
»Ich habe eine andere Theorie«, sagte Gareth Lamb mit einem Stirnrunzeln. »Vielleicht hat der Schurke Absichten auf ihre Schwester und weigert sich, sie aufzugeben.«
Jetzt schnappte Bea nach Luft. »Vater! Ich verbiete dir, so von Mr Bentley zu sprechen! Das ist verleumderisch!«
»Nun gut, der junge Mann hat immer noch nicht um deine Hand angehalten. Stattdessen ist er verschwunden. Oder hast du eine andere Erklärung für sein Verhalten?«
Bea hob das Kinn. »Wenn es etwas mit Charlotte zu tun hat, dann allenfalls, weil ihm die Schande unserer Familie zu Ohren gekommen ist.«
Bea stolzierte aus dem Zimmer, aber weniger aus einem echten Gefühl heraus, als weil sie einen Grund brauchte, sich zurückzuziehen. Sie wollte sich mit ihrer Freundin Althea treffen. Die beiden hatten vor, zusammen eine Lesung in der lebhaften Marktstadt Faversham zu besuchen. Buxley wartete draußen bereits mit der Kutsche auf sie, wie sie angeordnet hatte.
Sie traf eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit in Faversham ein und ließ sich von Buxley in der Nähe des Stadtzentrums absetzen. Von hier aus konnte sie zu Fuß in die Bibliothek gehen. Es war Markttag. Überall in den Straßen rund um das alte Rathaus waren Stände aufgebaut. Die Karren, Körbe und behelfsmäßigen Tische quollen über von Würstchen, Käse, Brot, Fischen und Früchten. Sie nahm sich Zeit, schlenderte an den Ständen und Buden vorbei und blieb dann stehen, um ein paar Hüte zu betrachten, die im Schaufenster einer Modistin ausgestellt waren. Verächtlich stellte sie fest, dass sie völlig aus der Mode waren. Sie seufzte. Es war zu dumm, dass sie nicht näher bei London wohnte.
Ihr Blick fiel auf eine Teestube. Vor dem Lokal waren unter einer gestreiften Markise mehrere Tische aufgebaut. Zwei Pärchen nahmen an diesem ungewöhnlich warmen Frühlingstag al fresco eine Erfrischung zu sich.
»Mr Bentley!«, rief sie plötzlich, noch ehe sie das Bild bewusst registriert hatte. Doch sofort hielt sie die Luft an und wäre beinahe gestolpert. Das Lächeln, das William der jungen Dame ihm gegenüber schenkte, war nicht misszuverstehen, ebenso wenig wie die Bewegung, mit der er sich zu ihr hinüberbeugte, und das Funkeln in seinen Augen. Bea kannte alle diese Zeichen nur allzu gut. Sie wusste Bescheid. Jetzt konnte sie sich entweder beschämt davonschleichen und hoffen, dass er sie weder gesehen noch gehört hatte, oder in die Offensive gehen. Beatrice Lamb war noch nie in ihrem Leben vor einer Herausforderung zurückgeschreckt und sie würde jetzt nicht damit anfangen. Diese Genugtuung würde sie Mr Bentley – und auch seiner Begleitung – nicht gönnen. Sie straffte die Schultern und winkte mit dem Taschentuch. Seinem Taschentuch.
Er sah sie und entschuldigte sich rasch bei dem Rotschopf. Junker Litchfields Tochter, wenn sie sich nicht irrte. Ein hübsches Ding. Aber schafsdumm. Doch zweifellos war ihr Vater reicher als Beas.
Bildete sie sich den fast ängstlichen Ausdruck, das Rot auf seinen blassen Wangen nur ein? Das verlegene Lächeln, mit dem er näher kam? Ganz bestimmt, denn dieser Mann besaß absolut kein
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