Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
ist. Vergiss nicht, dass Miss Marsden gedroht hat, vor Gericht zu gehen, wenn sie erfährt, dass du wieder praktizierst.«
»Ich habe es nicht vergessen. Trotzdem könnte ich mich doch bei meiner Enkelin oder meiner Schwiegertochter nützlich machen …«
»Du hast doch selbst erlebt, wie Lizette in letzter Zeit hier zu Hause war. In ihrem jetzigen Zustand würdest du sie kaum noch erkennen. Der Wahnsinn ist völlig außer Kontrolle geraten. Wenn du irgendeine Idee hast …«
»Ich habe noch nie einen so schweren Fall gesehen.«
»Nein, Vater, ich auch nicht.«
In der folgenden Woche brachte Katherine erneut das Thema von Charlottes Verbleib aufs Tapet. »Ich habe mit meinem Accoucheur gesprochen. Er erinnert sich, dass in jener Nacht ein Arzt namens Taylor hier war.«
»Ja, das stimmt.«
»Nun denn, wo praktiziert er? Hast du ihn kontaktiert?«
»Was willst du tun, wenn du es weißt?«
»Ihn nach Charlotte fragen, natürlich.«
»Ich bin sicher, dass eine solche Information vertraulich ist. Aus naheliegenden Gründen.«
»Oh, ich habe da so meine Mittel – wie du ja sehr gut weißt.« Sie lächelte ihn an.
»Hast du auch bedacht, meine Liebe, dass Charlotte, wenn sie sich tatsächlich an einem solchen Ort aufhält, vielleicht nicht gefunden werden möchte?«
»Ach was! Ich bin sicher, das es nur an ihrem aufgeblasenen Pfarrer-Vater liegt. Er hat sie verstoßen. Charlotte mochte mich immer sehr gern. Ich bin ganz sicher, dass sie sich freuen würde, mich zu sehen, wenn sie erst einmal weiß, wo meine Sympathien liegen.«
»Es tut mir leid, Mrs Harris.« Die Vorsteherin, eine Mrs Moorling, wusste es entweder nicht besser oder sie weigerte sich ganz einfach, Katherine korrekt anzusprechen. »Aber ich darf die Namen unserer Mädchen nicht herausgeben – weder der momentanen noch der ehemaligen Bewohnerinnen. Das verstehen Sie sicher.«
»Normalerweise durchaus. Aber ich versichere Ihnen, hier liegt der Fall anders. Ich möchte meiner Cousine doch nur helfen.«
»Das ist sehr gütig von Ihnen.«
Katherine seufzte. »Nun gut. Ich lasse Ihnen meine Karte da.« Sie reichte sie ihr über den Schreibtisch. »Vielleicht könnten Sie sie ihr geben und sie bitten, Kontakt zu mir aufzunehmen, wenn das passender ist.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, ich kann nichts tun.« Mrs Moorling erhob sich. »Ich hoffe, Sally Mitchell hat sich als zuverlässige Amme erwiesen?«
Katherine blieb keine Wahl, als ebenfalls aufzustehen. »Ja. Sie ist sehr tüchtig. Ich danke Ihnen.«
Da Lady Katherine es ganz und gar nicht gewohnt war, dass man ihr einen Wunsch versagte, war ihr Lächeln bei der Verabschiedung ziemlich gezwungen.
Als sie Mrs Moorlings Büro verlassen hatte, traf sie im Gang auf eine dünne, reizlose, aber äußerst tüchtig wirkende Frau, die einen Stoß Papiere in der Hand hielt.
Katherine strahlte sie gewinnend an. »Sie sehen wie eine sehr erfahrene und tüchtige Person aus.«
»Wirklich?« Die Reizlose knickste. »Danke, Ma'am.«
»Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir helfen könnten. Ich bin auf der Suche nach meiner lieben Cousine, die von ihrem tyrannischen Vater verstoßen wurde und hierher kam. Das arme Kind glaubt, dass es keinen einzigen Freund mehr auf der Welt hat, und ich bin hier, um ihr ein warmes Heim zu bieten.«
»Das ist sehr gütig von Ihnen.«
»Ja. Wenn Sie mich also zu Charlottes Zimmer führen könnten …« Sie tat einen Schritt auf die Treppe zu.
»Charlotte?«, fragte die junge Frau.
»Ja. Miss Charlotte Lamb.« Katherine blieb an der ersten Stufe stehen.
»Oh … ich fürchte, wir haben hier niemand dieses Namens. Wir hatten eine Charlotte, vor nicht allzu langer Zeit, aber sie hatte einen anderen Nachnamen. Allerdings ist sie inzwischen wieder fort. Ich weiß nicht, wohin. Armes Ding.«
Katherine zog eine Braue hoch.
»Sie hat ihr Baby verloren.«
»Wie schrecklich.«
»Ja, Ma'am. Ich hab nie eine feinere junge Dame gekannt.«
»Aber keine … Miss Lamb?«
»Nein, leider nicht.«
Entmutigt wollte Katherine die Einrichtung gerade verlassen, als sie hörte, wie jemand einen Namen rief, den sie kannte. »Tag, Taylor. Irgendwelche neuen Patientinnen?«
Katherine wirbelte herum. Zwei Männer standen, in ein Gespräch vertieft, auf der anderen Seite der Halle. Beide blickten auf, als sie sich ihnen näherte; sie hatten ihre Schritte auf dem Marmorboden gehört. Der eine der beiden Männer sah sehr gut aus – dunkles, aus der Stirn gekämmtes Haar mit einem
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