Die Lagune Der Flamingos
heißen Sommermonate aufhielt, in Mode war.
Arthur seufzte. Er selbst tat sein Bestes, um Ungeziefer und anderes Getier fernzuhalten, obgleich dies ein Spiel war, das man offenbar kaum gewinnen konnte. Er arbeitete unablässig und hart. Nur mithilfe einer Hacke hatte er aus dem harten Boden ein kleines Stück Ackerland gemacht. Danach hatte er einen Zaun mit einem großen Gatter für die Schafe bauen müssen, die er für Señor Brunner hüten sollte. Eine Tränke versorgte die Tiere mit Wasser, wenn benachbarte Wasserläufe austrockneten.
Einige Wochen später hatte er einen Platz für seinen Gemüse- und Obstgarten abgesteckt, dem er sich baldmöglichst widmen wollte. Olga hatte sich immer einen solchen Garten gewünscht. Er stellte sich ihre Freude vor, wenn sie einander endlich wiederfinden würden.
Irgendwann hatte sein neuer Besitz nicht mehr ausgesehen wie ein Provisorium, er erinnerte fast schon an einen richtigen Bauernhof. Da hatte ihn für ein paar Tage die schmerzvolle Erinnerung an Olga dermaßen gepackt, dass er kaum hatte weiterarbeiten können.
An diesem Tag, Arthur war gerade dabei, einen Unterstand für die Schafe zu bauen, ließ ihn näher kommendes Hufgetrappel den Kopf heben. Er kniff die Augen zusammen. Wenig später konnte er seinen Besucher auch schon erkennen. Er war nicht überrascht. Eduard Brunner suchte ihn oft auf. Sie verstanden sich gut, mit Worten und ohne Worte. Manchmal saßen sie nur nebeneinander und hingen schweigend ihren Gedanken nach. Sie waren fast so etwas wie Freunde geworden.
Arthur war Eduards Pächter, aber er wusste, dass er sein Land nicht in ein paar Jahren einfach wieder würde verlassen müssen wie so viele andere. Gewöhnlich musste ein Pächter nämlich nach drei bis sechs Jahren weiterziehen, dann, wenn der Boden urbar gemacht und das harte Pampasgras durch Luzerne ersetzt worden war. Eduard aber würde ihn hier gewähren lassen, so lange, bis Arthur selbst gehen wollte. Eduard war ein sehr verlässlicher Arbeitgeber.
»Hast du Zeit?«, fragte Eduard.
Arthur nickte und wies mit dem Kopf auf einen Holzstapel. Er hockte sich dorthin, mit einem Seufzer setzte sich Eduard neben ihn.
Nur wenige Atemzüge später spürte Arthur einen schmerzhaften Stich in der Magengegend. Die Frage, die Eduard ihm stellte, traf ihn völlig unvorbereitet.
»Was weißt du von Frauen?«, fragte er.
Weihnachten 1881 wurde das erste glückliche Weihnachtsfest seit Langem für Mina und Annelie. In Ermanglung eines Tannenbaums beauftragte Eduard Appollonia und Inèz, eine weitere Dienstmagd, zwei der Pfirsichbäume im Garten von La Dulce zu schmücken. Annelie kochte Gänsebraten mit Apfelrotkohl und Klößen. Nach dem Abendessen sangen sie gemeinsam Weihnachtslieder, dann wurden Geschenke ausgetauscht. Eduard war noch einmal nach Buenos Aires geritten und hatte für Annelie feine Handschuhe und für Mina Haarbänder gekauft. Mina hatte Eduard ein Halstuch genäht, Annelie überreichte ihm selbst gestrickte Socken.
Als es dunkel wurde, stellten sie sich auf die Veranda und bewunderten noch einmal die geschmückten Bäume. Ein heller Mond war über La Dulce aufgegangen, und Mina schlug vor, zur Lagune zu gehen.
»Wir haben zwar keine Kirche hier draußen«, sagte sie, »aber dort fühle ich mich Gott irgendwie nah.«
Dabei dachte ich, ich hätte ihn endgültig verloren.
Eduard nickte. »Lasst uns zur Lagune hinuntergehen.«
»Zur Lagune der Flamingos«, erwiderte Mina mit einem Lächeln.
Keiner musste etwas sagen. In diesem Moment waren sie alle glücklich.
Fünftes Kapitel
Fast ein Jahr war nun seit Annelies und Minas Ankunft auf der Estancia vergangen. Und Eduard wollte immer noch nichts davon wissen, wenn sie meinten, dass sie seine Gastfreundschaft überstrapazierten. Seit sie auf La Dulce weilte, hatte Mina reiten gelernt. Wenn man sie gefragt hätte, dann hätte sie gesagt, dass es nichts Erhebenderes gebe, als an einem strahlend klaren Morgen über die Ebene zu galoppieren, einen wolkenlosen Himmel von tiefstem Blau über sich, während eine sanfte Brise über diesen riesigen Ozean aus Land wehte, der keine Begrenzung zu kennen schien.
Nicht nur Annelie machte sich nach Kräften nützlich, auch Mina half, wo sie nur konnte. Manchmal fühlte sie sich inzwischen, als gehöre sie auf diese Estancia, nach La Dulce. Doch manchmal überfiel sie von einem Moment auf den anderen eine unerklärliche Angst. Immer mal wieder, wenn auch seltener, fuhr sie aus dem Schlaf hoch,
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