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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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plötzlich beide zu lachen, doch es war kein unbeschwertes Lachen, zu viele ungeweinte Tränen mussten sie zurückhalten, zu viel Enttäuschung unterdrücken.
    Zwei Wochen später gebar Marlena im Haus der Goldbergs ihr zweites Kind, einen kleinen Jungen, der die Welt sofort mit einem kräftigen Schrei begrüßte. Ganz anders als bei Aurora erinnerten sie der Schnitt seines kleinen Gesichts, die Augen und die Nase an seinen Vater. Marlena nannte ihren Sohn Joaquín.
    Während sie sich von der Geburt erholte und ihr Kind kennenlernte, hatte Marlena viel Zeit, nachzudenken. So konnte es nicht weitergehen, das musste sie einsehen. Sie konnte nicht zu John zurückkehren, wenn der nicht daran dachte, sein Leben auch nur ein wenig zu ändern. Zwar hatte er sich nach anfänglichem Murren interessiert an seinem zweiten Kind gezeigt, aber Marlena wusste, dass dies nicht genügte. Sie trug Verantwortung ihren beiden Kindern gegenüber. So schwer es ihr auch fiel, sie würde zu ihrer Mutter und Julius gehen und sie um Wiederaufnahme bitten müssen.
    An dem Tag, als Marlena entschied, nach Hause zurückzukehren, badete sie sich sorgfältig, wusch sich die Haare und zog sich etwas Hübsches an – eins von Jennys Kleidern, das sie sich geändert hatte. Rahel Goldberg hatte von einer Nachbarin Kleidung, aus der deren eigene Kinder herausgewachsen waren, für die kleine Aurora und für Joaquín bekommen.
    Als Marlena nach zwei Jahren wieder vor dem Haus ihrer Eltern stand, klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Es war Sonntag. Die Chancen standen gut, dass sowohl ihre Mutter als auch Julius zu Hause waren. Aber was würden sie sagen? Wie würden sie reagieren? Würden sie sich freuen oder so erbost sein, dass sie Marlena keinen Einlass gewähren wollten?
    Marlena holte tief Luft und klopfte.
    Wenn das Dienstmädchen, das sie hereinließ, überrascht war, so zeigte sie es zumindest nicht. »Der Herr und die Herrin sind im Garten«, sagte sie nur, als sei Marlena nie weg gewesen.
    »Danke.« Marlena fasste Auroras Hand fester, während sie den Kleinen im Arm wiegte.
    Anna und Julius saßen an ihrem Lieblingsplatz, sahen auf das Meer hinaus und redeten leise miteinander. Sie waren nicht allein, unter einem der Orangenbäume hockte Leonora und spielte selbstvergessen mit ihrer Puppe. Die kleine Schwester war inzwischen deutlich gewachsen. Sie war nicht mehr das Kleinkind, an das sich Marlena erinnerte.
    Mit einem Mal begann der Säugling in Marlenas Arm leise zu jammern. Es war Leonora, die sich als Erste umdrehte, jedoch so erstaunt war, dass sie sich nicht vom Fleck rührte. Julius und Anna hatten offenbar nichts gehört.
    »Mama?«, sagte Marlena zaghaft.
    Jetzt drehte sich auch Anna um und sprang auf, so schnell, dass sie ins Schwanken geriet und kurz um ihr Gleichgewicht kämpfte.
    »Marlena!« Sie streckte die Arme aus, entschied sich dann anders und ging mit raschen Schritten auf ihre Tochter zu. »Marlena, mein Kind.« Mit Tränen in den Augen schloss sie die Tochter und das Kleine in die Arme, strich dann über Auroras Kopf. »Du bist aber schon groß.«
    Auch Julius trat jetzt näher. Er strahlte. »Kommst du endlich zurück?«, fragte er. »Wir haben so lange gewartet.«
    Marlena konnte nur nicken, dann brach sie in Tränen aus.

Sechster Teil
    Llegada – Ankunft
    Buenos Aires, La Dulce, Tres Lomas,
Patagonien, Santa Celia, New York
    1885 bis 1887

Erstes Kapitel
    Marlenas Rückkehr in den Schoß der Familie war mit Freude begrüßt worden. Schnell hatte sich die junge Frau wieder an die Annehmlichkeiten des Reichtums gewöhnt. Anders als früher genoss sie es jetzt sogar, nichts tuend Zeit im Patio zu verbringen, den Gästen ihrer Eltern zu lauschen, die zuweilen doch recht Spannendes aus Buenos Aires oder der Welt zu berichten hatten.
    »Alles aus Frankreich«, brummte eben der vierschrötige Mann, der Vertreter eines deutschen Likörherstellers, in dem Korbsessel an Julius’ Seite, »Uhren, Porzellan- und Glaswaren, kostbare Gewebe, edle Möbel, Staatskutschen und Prunkkarossen. Sogar wenn er isst oder trinkt, ist der porteño dem Franzosen tributär. Denn speist er in einem der feineren Hotels oder Restaurants, so ist entweder der Wirt oder der Koch Franzose, der Likör ist aus Frankreich, der Wein sowieso.«
    Julius lachte. »Sie haben Recht, Herr Kuhn, man könnte gewiss meinen, man habe Europa gar nicht verlassen. Man sieht sich im Hotel um und denkt: europäisch. Die Zimmer sind europäisch, die Restauration ist

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