Die Lagune Der Flamingos
Lust das Zentrum ihres Körpers, ein wilder, alles verschlingender Wirbel, in dem sie sich willig verlor. Marcos Hände waren sanft, geduldig und überall. Sie trugen Estella. Sie wollte, dass es nie wieder aufhörte, und wusste gleichzeitig nicht, ob so viel Lust und Verlangen überhaupt auszuhalten waren. Noch niemals zuvor hatte sie solchermaßen die Kontrolle verloren.
Endlich richtete Marco sich auf und legte sich auf sie. Es tat ein wenig weh, als er in sie eindrang, aber er spürte es gleich und hielt sich zurück, solange er konnte. Mit sanften Bewegungen führte er sie endlich zum Höhepunkt. Als sie danach nebeneinander lagen, liefen Estella die Tränen über das Gesicht.
»Estella!« Marcos Stimme klang tief betroffen. »Was ist mit dir?«
Estella schluckte heftig. »Nichts«, flüsterte sie und küsste ihn. »Ich bin nur so unendlich glücklich.«
Diese Nacht, das wusste sie, würde sie niemals vergessen.
Erst spät schlich Estella zurück ins Haus. Unentdeckt gelangte sie in ihr Zimmer. Sie zog sich aus, ließ das Kleid dort liegen, wo sie es hatte fallen lassen. Obwohl sie sterbensmüde war, wollte es ihr zuerst nicht gelingen, einzuschlafen. Draußen sangen schon die Vögel, als sie endlich wegdämmerte, und es war schon später Vormittag, als Paco sie weckte.
»Marco macht sich gleich auf den Weg, Estella, es stehen schon alle auf der Terrasse, um ihn zu verabschieden.«
»Oh!« Estella schwang sofort die Beine aus dem Bett, hetzte zu ihrem Frisiertisch, um sich einen Hausmantel überzuwerfen und das Haar notdürftig zusammenzunehmen.
Als sie sich zu ihrer Familie gesellte, schaute ihre Mutter sie forschend an. »Du hast ja wie ein Murmeltier geschlafen.«
»Ich habe noch lange gelesen gestern Abend«, entgegnete Estella, bevor sie recht überlegt hatte.
»Gelesen?« Viktoria war überrascht.
Zu Recht, wie Estella sich gleich nach ihren Worten eingestand, sie war keine große Leserin. Marlena hatte immer vergeblich versucht, die Freundin für Literatur zu interessieren.
Gott sei Dank wurde die Aufmerksamkeit jetzt auf etwas anderes gelenkt. Marco kam auf sie zu. Er trug seinen Anzug. Kurz streifte sein Blick Estella, dann verbeugte er sich vor Viktoria und Pedro.
»Ich danke Ihnen sehr dafür, dass Sie mich hier aufgenommen haben, und besonders für Ihre Ermutigung. Danke, dass Sie mir ermöglichen, das zu tun, was ich mir so lange gewünscht habe.«
Viktoria antwortete etwas, doch Estella hörte nicht, was. Ein Gedanke fesselte sie plötzlich: Bitte, lass mich schwanger sein, lieber Gott, bitte, ich möchte ein Kind von diesem Mann.
Fünftes Kapitel
John stellte die Flasche caña zwischen sich und seinen Trinkkumpan Wilhelm Knaab und schenkte großzügig ein. Noch schweigend hoben sie beide die Becher und prosteten sich zu. Brennend floss der Alkohol durch Johns Kehle. Er schüttelte sich. Vieles wurde einfacher, wenn er trank. Sogar wärmer wurde ihm jetzt. Er hatte früher schon einmal getrunken, dann damit aufgehört. Rasch schenkte er nach. Der ältere Wilhelm wohnte schon seit gut dreißig Jahren in Buenos Aires. Er hatte den Zuwachs der deutschen Gemeinde miterlebt, die Krisen und die soziale Umschichtung der späteren Jahre.
»Damals, zu Anfang«, sagte er jetzt, »war die evangelische Kirche das Einzige, was wir Deutschen gemein hatten, doch sie wurde von einer kleinen Gruppe Patrizier geleitet. Natürlich hatte der kleine Mann da nichts zu sagen.«
John kippte seinen Schnaps herunter und schenkte sich erneut nach. Der dritte Becher, mahnte die Stimme in seinem Kopf, die im Laufe des Abends mit jedem Schluck leiser werden würde.
»Hat sich daran etwas geändert, Wilhelm? Das Sagen haben doch immer noch die Großgrundbesitzer, die Großhändler, die, die eben immer das Sagen hatten. Himmel, wenn es uns nur einmal gelingen wollte, einig zu handeln und gemeinsam zu kämpfen.«
So, heraus war es. So war es eben, er, John Hofer war ein Unruhestifter.
John starrte seinen Becher an. Er hatte lange nicht mehr daran gedacht, über Arbeiterorganisation zu sprechen. Als sich 1878, nachdem das durch Bismarck initiierte Sozialistengesetz verabschiedet worden war, mehr und mehr seiner einstigen Genossen ebenfalls nach Buenos Aires eingeschifft hatten, hatte er tagtäglich befürchtet, bald mit seiner Vergangenheit konfrontiert zu werden.
Aber das Schicksal hat mich verschont. Es hat mich verschont, damit ich meine Aufgabe doch noch erfülle .
Jetzt, so schien es ihm, war der
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