Die Lagune Der Flamingos
einmal bei uns zuzuschauen.«
»Das Zuckerrohr wird gewiss bald noch mehr an Bedeutung gewinnen«, mischte sich erneut Merkwitz ein. »Eine Fabrik nach der anderen wird eröffnet, auch wenn die wenigsten Ahnung von der Verarbeitung der Pflanze haben. In jedem Fall lassen sich die europäischen Facharbeiter und Ingenieure teuer bezahlen. Es heißt, es gebe bereits einige unter den neuen Estancieros, die der Nationalbank enorme Summen schulden.«
Pedro, der sich immer noch im Hintergrund hielt, bemerkte, wie Don Laurentio nachdenklich in die Ferne blickte.
»Man muss eben sehen, wo man Geld einsparen kann«, sagte er dann. »Ist das nicht so, Señor Merkwitz?«
Merkwitz antwortete nicht.
»Nun«, mischte sich jetzt Pedro ein, der wohl plötzlich nicht mehr schweigen wollte. »Es heißt sogar, einige würden das Geldproblem lösen, indem sie auf Sklavenarbeit zurückgriffen.«
»Aber die Sklaverei ist in Argentinien verboten«, entgegnete Merkwitz.
»Wen kümmert’s?«, erwiderte Pedro, und Viktoria entdeckte mit einem Mal ein herausforderndes Leuchten in seinen Augen, das sie unbehaglich stimmte. »Werden nicht jedes Jahr sogenannte Strafexpeditionen gegen die Indianer im Chaco unternommen? Die Gefangenen, Männer, Frauen und Kinder, werden an Interessierte in Tucumán und Corrientes zur ›Zivilisierung‹ übergeben. Dort betrachtet man sie dann als Eigentum und lässt sie gegen Kleidung und Nahrung arbeiten.«
»Nun, Señor Cabezas«, sagte Don Laurentio, »dabei handelt es sich, wie von Ihnen selbst schon gesagt, um Strafexpeditionen.«
»Wirklich? Ist es nicht eher so, dass es gern auch einmal irgendein korrupter comisario de policía ist, der durch seine Leute einige Hundert Stück Hornvieh wegtreiben und jenseits des Paraná verkaufen lässt? Eine notwendige Untersuchung wird schnell unterdrückt – es heißt einfach, Indios hätten diese Räubereien begangen. Man zerstört also einige ihrer Dörfer, tötet einige von ihnen und schickt den Rest zur ›Zivilisierung‹.«
»Was bringt Sie denn auf solch abenteuerliche Ideen, Cabezas?« Merkwitz schüttelte den Kopf.
Die Stimmung war mit einem Mal deutlich angespannt. Viktoria konnte kaum an sich halten, Pedro zu bitten, endlich den Mund zu halten.
»Nun«, mischte sich Don Laurentio ein, »wenn wir schon über unschöne Dinge sprechen, und ich hatte sehr gehofft, damit nicht bei unserem heutigen Treffen herausplatzen zu müssen, sollte ich sagen, dass einige Estancieros und auch ich immer noch der Meinung sind, dass Sie Ihren Arbeitern zu viel zahlen, Doña Viktoria.«
Viktoria hob eine Augenbraue. »Tue ich das?«
»In der Tat, und das macht den Wettbewerb kaputt. Manche Estancias finden kaum noch Arbeiter für die Erntearbeit.«
»Interessant«, Viktoria konnte ein hochmütiges Lächeln nicht unterdrücken. »Wäre es da nicht das Einfachste, wenn Sie und all die anderen Estanciero s den Arbeitern ebenfalls mehr bezahlten, Don Laurentio?«
»Ach, verdammt«, brach es aus Viktoria heraus, als Pedro und sie sich später auf dem Heimweg befanden. »Ich hatte so darauf gehofft, mich heute in keine Auseinandersetzungen verwickeln zu lassen. Meinst du, Don Laurentio ist jetzt unser Feind?«
»Es tut mir leid«, sagte Pedro, die Zügel in der einen Hand, die andere auf dem Sattelknauf.
Viktorias Schimmelstute Dulcinea schnaubte. Flüchtig fuhr Viktoria durch den Kopf, dass sie sich bald ein neues Reittier zulegen musste. Dulcinea war nun schon eine recht betagte Pferdedame.
Viktoria seufzte. »Don Laurentio könnte seinen Arbeitern wirklich mehr bezahlen.«
Pedro warf Viktoria einen knappen Seitenblick zu. »Es heißt, er habe sich mit der letzten Investition in eine Fabrik schwer verschuldet«, sagte er.
»Aha«, antwortete Viktoria.
Das machte die Sache bestimmt nicht einfacher. Ein Don Laurentio mit Schulden, so fürchtete sie, war gewiss wie ein verletztes Raubtier, jederzeit bereit, um sich zu beißen.
Achtes Kapitel
Philipp genoss die alljährlichen Strafexpeditionen gegen die Chaco-Indianer. Mittlerweile fieberte er ihnen entgegen, wie er als Kind Weihnachten entgegengefiebert hatte. Zum einen gehörten diese gottlosen Wilden bestraft – in diesem Jahr hatten sie während eines Raubzugs bei einem Schweizer Kolonisten fast dreißig Pferde gestohlen –, zum anderen fühlte er sich während der Kämpfe lebendig wie nie. Wenn er einen dieser Hunde tödlich getroffen hatte, hätte er sogar schreien können vor Glück. Zu töten gab ihm
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