Die Lagune Der Flamingos
eine solch tiefe Befriedigung, dass er sich mit jedem Jahr mehr fragte, wie er es aushalten sollte, danach monatelang darauf zu warten, dass sie endlich wieder loszogen.
Er wusste, dass es seinem Vater genauso ging. Manchmal gingen sie gemeinsam auf die Jagd, um ihren Blutdurst zu stillen, aber ein Tier zur Strecke zu bringen war nur halb so erfüllend, wie einen Menschen zu töten. Noch einmal jemanden totzuschlagen, wie er es mit Claudius Liebkind getan hatte, musste er sich leider versagen, wollte er keinen Verdacht auf sich lenken. Er konnte ja nicht damit rechnen, wieder so ein elendes Glück zu haben wie mit Frank Blum, diesem Trottel.
Wenigstens blieben ihm die Strafexpeditionen, auch wenn ihre Opfer ja keine richtigen zivilisierten Menschen waren, sondern Wilde – verdammte dreckige Diebe und Mordbrenner, die das Land besetzten, mit dem sie ohnehin nichts anzufangen wussten.
Geführt wurde die Expedition in diesem Jahr von drei in Romang lebenden Indios. Elendes Pack, dachte Philipp nicht zum ersten Mal verächtlich. Ging es nach ihm, dann würden sie diese drei gegen Ende der Expedition aufknüpfen. War es nicht so, dass man Verräter aufknüpfte?
Er legte eine Hand auf den Sattelknauf und hielt mit der anderen seine Zügel fest. In einer langen Reihe ritten, neben ihren drei Führern, etwa zehn Männer vor ihm her, hinter ihm folgten weitere.
Philipp musste plötzlich an Mina denken. Wenn er zurückkehrte, so war er fest entschlossen, würde er sie nicht mehr so einfach davonkommen lassen. Sie war in der letzten Zeit zu einer hübschen Frau herangereift und nicht mehr so elend mager. Im Haus hatte er sie nicht nehmen wollen, draußen war sie ihm aber stets entwischt, und unter der Woche arbeitete sie bei den Dalbergs. Hatte es mal eine Gelegenheit gegeben, so war immer jemand da gewesen, der ihn störte. Er schnalzte ärgerlich mit der Zunge. Vielleicht musste er diese dummen Vorbehalte aufgeben und sie einfach nachts in ihrem Zimmer aufsuchen.
Genüsslich malte er sich jetzt aus, wie er sich hineinschlich, wie er die Hand auf ihren Mund presste und sie ihn aus vor Angst geweiteten Augen anblickte. Der Gedanke verschaffte ihm ein solches Wohlbefinden, dass sein Penis steif wurde.
Mit einem erneuten Zungenschnalzen trieb er sein Pferd, wie es die anderen jetzt auch taten, zu einer schnelleren Gangart an.
Neun Tage brauchten sie, um das Lager der Indianer zu erreichen. Die Sicht war klar, sodass die Indios sie zu früh bemerkten. Während sie sich zur Flucht oder zum Kampf bereit machten, schlugen die Angreifer ein rascheres Tempo an.
Philipp, das Pferd bald nur noch mit den Schenkeln lenkend, hielt die Pistolen bereit. Jeder Muskel seines Körpers war angespannt vor Erregung. Der scharfe Geruch von Pulver und das Knallen der Schüsse zeigten ihm, dass auch dieses Mal mit Munition nicht gespart wurde.
Die Indios stoben nach allen Himmelsrichtungen auseinander, die meisten flüchteten ins Schilf und ins Wasser der nahen Lagune. Gleich beim ersten Zusammenprall waren einige von ihnen erschossen worden, nun suchten sie, den Moment zu nutzen, in dem nachgeladen wurde, und griffen selbst an.
Im selben Augenblick sah Philipp, wie sein Vater gerade noch einem Paar boleadoras auswich. Die lederumhüllten Wurfkugeln legten sich gewöhnlich wie ein Lasso um die Beine des Gejagten und machten ihn so kampfunfähig. Philipp nahm den Indianer, der Xaver angegriffen hatte, ins Visier und fühlte eine Welle der Genugtuung, als der Mann getroffen zu Boden ging. Schon riss er sein Pferd wieder herum und stürmte auf den nächsten los.
Töte, sang es in ihm, töte, töte, töte!
Die Männer waren schon über zwei Wochen unterwegs, als Mina es wagte, Annelie von ihrem Plan zu erzählen. Die junge Frau ging jetzt abends nach der Arbeit bei den Dalbergs nach Hause, weil sie ihre Mutter nicht allein lassen wollte. Das hatte sie auch Frau Dalberg erklärt, die dafür vollstes Verständnis zeigte.
Mina hatte lange überlegt, wie sie ihre Mutter ansprechen sollte. Sie hatte sich Worte zurechtgelegt und sie wieder verworfen. Einmal hatte sie den Mund schon geöffnet und ihn dann schnell wieder geschlossen, als Annelie sie wegen irgendetwas um Hilfe gebeten hatte. Doch jetzt musste es sein. Mit jedem Tag wuchs die Gefahr, dass Xaver und Philipp zurückkehrten. Dann würde es schwerer sein, zu fliehen, und Mina wollte unbedingt fort aus Esperanza. Nichts mehr hielt sie hier ohne Frank, der ja ohnehin nicht mehr
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