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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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zurückkehren konnte, denn es würde ihr niemals gelingen zu beweisen, dass Philipp in Claudius’ Tod verwickelt war.
    Trotzdem hatte sie Irmelind gesagt, wo Frank sie finden würde, sollte er doch zurückkommen.
    »Ich werde jedes Jahr am 25. Mai ab dem Vormittag auf der Plaza de la Victoria in Buenos Aires sein, Irmelind, bis wir uns wiedersehen. Er soll das nicht vergessen. Sagst du ihm das bitte?«
    Irmelind hatte genickt.
    An diesem Abend saßen Annelie und Mina auf der kleinen wackligen Veranda und genossen die Ruhe, während die untergehende Sonne ihre Umgebung in tiefes Rot tauchte.
    »Das ist unsere Gelegenheit, Mama«, sagte Mina unvermittelt mit rauer Stimme.
    Fragend schaute Annelie sie an. »Welche Gelegenheit?«
    »Lass uns von hier fortgehen, Mama, lass uns fliehen!«
    »Aber es … es ist Herbst …«, stotterte Annelie und rang die Hände. »Wohin sollen wir gehen? Mit welchem Geld? Und wer soll uns aufnehmen? Wir kennen doch niemanden in diesem Land.«
    »Wir müssen es eben allein wagen.« Mina presste kurz die Lippen aufeinander. »Wir können nicht hierbleiben, Mama, wir dürfen nicht hierbleiben. Er schlägt dich jeden Tag.« Sehr sanft berührte sie eine Stelle unter Annelies linkem Auge, an der man noch einen gelblichen, von dunklen Verfärbungen durchsetzten Fleck erkennen konnte. »Und irgendwann wird dieses Ungeheuer dich umbringen, Mama. Ich will nicht mehr zusehen müssen, wie er dich schlägt. Ich will fort von hier. Alles wird besser sein als das hier.«
    »Fort von hier? Auf uns allein gestellt?« Annelie schüttelte wieder den Kopf. »Das geht nicht, Mina, ich kann das nicht. Herrgott, wir sind Frauen, wir können hier nicht mal allein durch die Wildnis reisen.« Mit diesen Worten sprang sie auf, drehte sich um und ging ins Haus.
    Wie vom Donner gerührt blieb Mina zurück. Drei Tage später waren Philipp und sein Vater wieder da.
    Mina erwachte von dem schrecklichen Gefühl, zu ersticken. Etwas hielt ihren Mund verschlossen. Eine fremde Hand? Panik stieg in ihr auf. Sie zappelte, bemühte sich verzweifelt, sich zu befreien, doch der Griff war eisern und drückte sie in die Kissen. Vor ihren Augen ragte eine riesige dunkle Gestalt im Halbdunkel des Raumes auf.
    Der Teufel, schoss es Mina durch den Kopf … nein, es war Philipp … Sie wusste, dass es Philipp war. Sie hatte sich schon lange gegen einen solchen Übergriff gewappnet. Wenn sie nur an seine Blicke dachte, an die Gelegenheiten, zu denen er sie berührt, sie lüstern angelacht und sich dabei über die Lippen geleckt hatte.
    Es ist ein Fehler gewesen, nicht zu gehen, dachte sie, während sie nicht mehr tun konnte, als ihn anzustarren. Ich hätte Mama zwingen müssen, mich zu begleiten, oder ohne sie aufbrechen.
    Wenn Mina daran dachte, wie Philipp und sein Vater am Abend zuvor prahlerisch über den brutalen Überfall auf das Indio-Dorf geredet hatten, wurde ihr schlecht. Mit zusammengepressten Lippen bekämpfte sie den Würgereiz. Je besser sich ihre Augen an das Dämmerlicht im Zimmer gewöhnten, desto genauer erkannte sie bald ihren Stiefbruder. Auch wenn sie es von Anfang an gewusst hatte. Sie erkannte ihn zudem am Geruch, und auch der widerte sie an. Philipp beugte sich jetzt näher zu ihr hin, sodass sie seine Lippen beim Sprechen auf ihrer Haut fühlte.
    »Hast du mich vermisst? Ich habe oft an dich gedacht, meine kleine Mina.«
    Er kann dir nichts tun, dachte Mina, er kann nichts tun, was dich berührt, du darfst es einfach nicht zulassen. Sagen konnte sie ohnehin nichts, weil seine Finger ihren Kiefer wie ein Schraubstock umklammerten. Als er im nächsten Moment mit der freien Hand die Decke von ihrem Körper riss und dann ihr Nachthemd nach oben schob, spürte sie plötzlich Wut in sich aufsteigen.
    Es war diese Wut, die ihr die Kraft zum Handeln gab.
    Mina zog die Beine an und trat dem Stiefbruder mit aller Kraft in den Unterleib.
    Stöhnend brach Philipp vor ihrem Bett zusammen. Mina wartete nicht. Mit einem Satz sprang sie aus dem Bett und rannte aus dem Zimmer. Mit wenigen Sprüngen hatte sie die schmale Stiege nach unten bewältigt, die Haustür aufgerissen und den Hof überquert. Erst im Schatten der kleinen Scheune blieb sie stehen und sah nach Luft ringend zu ihrem Fenster hinauf. Sie konnte Licht hinter der kleinen Scheibe sehen und Philipps immer noch gekrümmten Schatten.
    Was, durchfuhr es sie plötzlich, wenn Frank hier vor seiner Flucht gestanden hat, darauf wartend, dass ich noch einmal herauskomme?

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