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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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letzten Jahr lagen und in die bald neues Erntegut eingelagert werden würde. Abwesend sah sie den hin und her flitzenden Mäusen und Ratten zu. Dieses Ungeziefer war immer eine Plage, und sie ekelte sich davor, doch jetzt durchfuhr Annelie ein Gedanke: Ich könnte den Männern Rattengift geben. Mit Rattengift kann ich umgehen.
    Zyankali war eines der ersten Mittel gewesen, deren Benutzung sie von Xaver gelernt hatte. Es diente zur Beseitigung von Ungeziefer aller Art. Xaver hatte damals sichtlich Genugtuung empfunden, als Annelie die toten Kreaturen, hin- und hergerissen zwischen Ekel und Mitleid, zusammengesammelt und draußen in einem großen Feuer verbrannt hatte.
    Nach einer Weile trat Annelie wieder nach draußen, schloss die Scheunentür und kehrte zurück ins Haus. Am Abend konnte sie Mina endlich sagen, dass sie bereit war. Am Sonntag würde sie der Tochter ein kleines Päckchen mit ihren wichtigsten Habseligkeiten mitgeben. Dann würde sie ihre Vorbereitungen treffen, und am nächsten Sonntag wäre es dann so weit. Sie würde Bier auftischen und einen Teil davon mit Rattengift versetzen. Wenn Xaver und Philipp nur genügend davon tranken, würde ihnen auch ein etwaiger seltsamer Geschmack nicht auffallen. Vermissen würde man sie erst am nächsten Tag in der Kirche, ganz sicher aber später in der pulpería.
    In jedem Fall aber sollte Mina nicht erfahren, wie sie bei ihrer Flucht vorgehen wollte. Mina war ihr Engel. Sie musste nichts wissen von dem Bösen, das in dieser Welt war.

Zehntes Kapitel
    Frank drehte den Kopf. Ganz in der Nähe waren jetzt laute Männerstimmen zu hören, hektische Warnrufe erklangen. Darauf folgte der charakteristische Laut, jenes Knacken und Bersten von Holz, jenes Rauschen wie von einem plötzlich aufkommenden heftigen Wind, mit dem ein gefällter Baum zu Boden stürzte. Frank hatte sich nur für einen Augenblick am Waldrand hingehockt, um eine kurze Rast zu machen und einen Zigarillo zu rauchen. Wie üblich war er schon lange vor Sonnenaufgang aufgestanden. Er war kein guter Schläfer mehr, seit er Esperanza verlassen hatte. Er hatte sich notdürftig gewaschen, etwas, worauf nicht jeder hier Wert legte. Dann hatte er den Maisbrei hinuntergeschlungen, die Axt geschultert und war wie jeden Tag, seit er hier im nördlichen Chaco lebte, mit der Holzfällerkolonne in den Wald aufgebrochen.
    In den letzten Wochen hatten sie eine Schneise in den Wald geschlagen, die sich wie eine tiefe schwärende Wunde in der sonst unberührten, wilden Natur ausnahm. Der Boden war überall zertrampelt und von Ästen, Holzspänen und Sägemehl bedeckt. Es war in erster Linie der Holzreichtum des Chaco, der Unternehmer in diese Gegend lockte. Von den am Río Paraguay gelegenen Orten Resistencia und Formosa aus drangen immer mehr Holzschlägerkolonnen landeinwärts vor. Im Chaco-Wald fand sich, neben wertvollen Bauhölzern, der Quebracho Colorado, dessen Rinde und Holz einen in Gerbereien auf der ganzen Welt begehrten Extrakt lieferte. Auf den Quebracho mit seinen gefiederten, stark riechenden Blättern hatten es unter anderem auch die Männer seiner Kolonne abgesehen. Mancher hielt bei längerer Berührung der Blätter Blasen auf der Haut zurück. Das Holz des Quebracho war sehr hart, jedoch leicht spaltbar.
    Seit Stunden schon fällten sie Bäume, einen nach dem anderen. Zuerst war das abwechselnde Tocktock der Axtschläge zu hören, dann, wenn ein Baum zu fallen drohte, brach kurz Hektik aus, und alle brachten sich in Sicherheit. Manchmal gab es Unfälle, manchmal wich der Baum von der Richtung ab, in die er hatte fallen sollen. Zwei Männern hatte das den Tod gebracht, seit Frank bei der Kolonne arbeitete. Sie lagen draußen auf dem kleinen Friedhof unter traurigen, schiefen Holzkreuzen. Frank stellte sich vor, dass die Gräber wieder überwucherten, wenn die Holzfäller nicht mehr da waren. Niemand würde ahnen, dass hier Männer ums Leben gekommen waren. Manchmal fragte sich Frank, ob wohl irgendjemand irgendwo vergeblich auf die Rückkehr der beiden wartete.
    Neben solch tragischen Ereignissen gab es beinahe täglich Quetschungen, blutende Risse, Beulen und hier und da einen ausgeschlagenen Zahn. Abends, wenn die Männer zu sehr dem Caña zusprachen, ging man auch mal mit dem Messer oder der Axt aufeinander los. Erstaunlicherweise war dabei noch nichts wirklich Tragisches passiert. Sonntags gingen einige der Männer zur Messe ins nächste Dorf. Später am Tag, wenn ein Hahnen- oder Hundekampf

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