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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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waschen. Sie pflegte ihre Kleidung nicht. Sie ließ ihre Haare verfilzen. Das Einzige, was sie interessierte, war der Alkohol. Für ihn war sie noch bereit, die Beine breit zu machen. Gestern war es wieder einmal besonders schlimm gewesen. Sie hatte sich auf dem Rücken liegend übergeben, dann im Wechsel gewürgt und nach Luft geschnappt. Blanca hatte sich sehr anstrengen müssen, Corazon auf die Seite zu drehen und ihr den Mund zu säubern. Für einen schrecklichen Moment hatte sie befürchtet, ihre Mutter müsse sterben.
    »Mama«, hatte sie weinend gefleht, »Mama, bitte, bleib bei mir.«
    Ich habe niemand anderen, fuhr es ihr jetzt durch den Kopf, ich habe niemand anderen als diese schmutzige, kaputte Frau. Und ich liebe sie, verdammt, ich liebe sie.
    An diesem Abend, da war sich Blanca sicher, würde sie allein auf Kundenfang gehen müssen. Immerhin musste sie nie lange warten. Längst hatte sie ihre Stammkunden, Männer, die sie wohl ihrer Jugend wegen bevorzugten. Außerdem kamen stetig mehr Menschen ins Grenzgebiet, seitdem es hieß, die Indios würden nun endgültig besiegt werden.
    In den letzten Jahren war zu diesem Zweck nach und nach die Zahl der Forts vergrößert worden. Im Schutz der Befestigungslinie, die sie bildeten, entstanden bald neue Siedlungen für noch mehr Siedler, während Abenteurer und Soldaten ins Indianerland vordrangen. Weiter und weiter schob sich die Kette der Forts bald nach Süden und Westen vor und beraubte die dort lebenden Indianerstämme ihrer besten Weideplätze.
    Blanca fragte sich nicht, ob das richtig war oder falsch. Es war ihr schlicht gleichgültig. Sie hatte auch nie jemand gefragt, was sie sich wünschte. Sie musste um Corazons und ihr Überleben kämpfen, mehr Kraft hatte sie einfach nicht.
    Manchmal besuchte sie neuerdings ein junger Mönch, den es – wusste Gott wieso – ebenfalls in diese Einöde verschlagen hatte. Irgendjemand hatte ihr gesagt, Bruder Bartholomé sei gar kein Mönch, aber wen störte das, wenn er sich verhielt wie einer? Zuerst hatte Blanca gedacht, er wollte sie auf den Pfad der Tugend zurückführen, doch dem war nicht so. Sie konnte ihm ihr Herz ausschütten. Hin und wieder beichtete sie sogar bei ihm. Bartholomé hörte Blanca zu, wenn ihr niemand sonst zuhörte. In seiner Gegenwart fühlte sie sich wenigstens ein kleines bisschen erleichtert.
    Jens Jensen war sich sicher, dass er noch niemals zuvor ein solch schönes Mädchen gesehen hatte. Es hatte rotbraunes krauses Haar, eine Haut wie Milchkaffee und tiefschwarze Augen. Er schätzte sie auf nicht mal fünfzehn. Sie war ganz offenkundig eine Prostituierte, wenn er nach ihrer zu bunten, zu auffälligen Kleidung ging, und doch hatte sie den Gang und das Gebaren einer Königin.
    Er hatte sie bereits morgens, kurz nach seinem Eintreffen in diesem öden, namenlosen Grenzort im Río-Negro-Gebiet, bemerkt und gehofft, sie nach der Siesta noch einmal zu sehen. Die Chancen standen nicht schlecht, schließlich war der Ort klein. Trotzdem ließ sie lange auf sich warten. Als sie dann endlich hoch erhobenen Hauptes Carlitos pulpería betrat, konnte er sich kaum beherrschen, nicht aufzuspringen und sie an seinen Tisch zu bitten. Er war beileibe nicht der Einzige, der ihr Eintreffen bemerkte. Ein paar schnalzten sogar anerkennend mit der Zunge. Jensen hätte sie am liebsten zur Ordnung gerufen und ihnen gesagt, dass man eine Königin so nicht behandelte.
    Offenbar habe ich meine revolutionären Zeiten hinter mir gelassen, fuhr es ihm jetzt mit einem Schmunzeln durch den Kopf. Nun, die Zeit, als er mit der Kosmos die alte Heimat verlassen hatte, lag ja auch schon fünfzehn Jahre zurück.
    »Ah, Blanca«, hörte er jetzt Carlito sagen.
    Sie hieß also Blanca … die Weiße. Jensen fand den Namen sehr passend.
    »Carlito!« Die junge Frau nickte dem Mann zu. Gleich darauf nahm er ihre Bestellung entgegen.
    Neben einer Limonade für sich orderte Blanca einige Lebensmittel, darunter getrocknete Bohnen und Maismehl.
    »Soll ich dir die Sachen später bringen lassen?«, erkundigte sich Carlito.
    Blanca schüttelte den Kopf. »Danke, ich nehme sie selbst mit.«
    Jensen, der seinen Tisch inzwischen verlassen und sich einen Platz an der Theke gesucht hatte, rückte näher heran.
    »Darf ich Sie zu einem Getränk einladen, schöne Frau?«
    Blanca warf ihm einen kurzen Blick zu. Ihre Augen wirkten aus der Nähe noch dunkler und undurchdringlicher. Unwillkürlich jagte ein kurzer Schauder über Jens Jensens

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