Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
Vom Netzwerk:
angesetzt war, der Abwechslung in die Einöde brachte, versammelten sich fast alle vor ihren provisorischen Hütten, die rasch aufgebaut wurden und ebenso schnell verfielen. Sie schliefen in Hängematten.
    Frank nahm einen weiteren tiefen Zug von seinem Zigarillo. Über ein Jahr war es nun her, dass er aus Esperanza geflohen war, unschuldig, doch unfähig, dies zu beweisen. Anfangs hatte er sehr mit seinem Schicksal gehadert, war zwischen Wut und Resignation hin und her geschwankt. Auf seiner Flucht trug er zuerst die Sachen, in denen er das Haus seiner Eltern so überstürzt verlassen hatte. Lediglich einen Poncho stahl er mit schlechtem Gewissen von einer Veranda, um sich gegen die Kühle der Nacht zu schützen. Die ganze Zeit über achtete er darauf, sich so gut es ging, sauber zu halten, badete sogar im Fluss, wenn sich die Möglichkeit ergab. In den ersten Tagen seiner Flucht hatte er nichts Richtiges zu essen, bis er sich überwand, altes Brot und Gemüse aus den Schweinetrögen der großen Estancias zu klauben. Wenn er zuerst geglaubt hatte, so etwas niemals essen zu können, war er bald eines Besseren belehrt worden. Der Stolz verlor sich schnell, wenn einem der Magen gar zu erbärmlich knurrte.
    Anfangs hielt er sich noch in der Nähe des rancho seiner Eltern auf und war dabei Philipp zweimal nur knapp entgangen. Der, der er zu begegnen hoffte, war er nicht begegnet: Mina – Mina, die doch immer noch in seinen Gedanken war. Mina, die ihn antrieb auf seinem Weg. Mina, deren Namen er heiser flüsterte, wenn er in den Armen einer Prostituierten nach Entspannung suchte. Keine der Frauen hatte sich darüber je empört gezeigt. Warum auch? Für sie war es ein Geschäft, sie verdienten so ihr Geld. Leider währte die Entspannung bei ihm immer nur kurz, bevor sich das Gedankenkarussell wieder drehte.
    Nachdem ihm offenbar geworden war, dass weiteres Warten auf Mina zu gefährlich war, hatte er sich schließlich auf den Weg nach Norden gemacht. Er sagte sich, dass er Geld verdienen müsse, und stellte sich vor, wie er eines Tages zurückkehrte wie der Graf von Monte Christo, um sich an allen zu rächen. Sehr kurz erwog er sogar, in Brasilien bei der Suche nach Diamanten sein Glück zu machen, doch die hartnäckigen Erinnerungen an Mina trieben ihn bald zurück.
    Doch eines Tages würde er zurückkehren, das stand außer Frage. Dann nämlich, wenn er seinen Namen reingewaschen hatte und Mina heiraten konnte. Bis dahin würde er hart arbeiten und jeden sauer verdienten Peso beiseitelegen – auch, wenn es nicht viel war. Und am nächsten Unabhängigkeitstag würde er auf der Plaza de la Victoria in Buenos Aires nach ihr Ausschau halten, jedes Jahr bis zu dem Tag, an dem sie einander wiederhatten. Im letzten Jahr hatte er es nicht geschafft, damals war ihm die Reise zu unsicher erschienen, schließlich verdächtigte man ihn des Mordes. Er hoffte nur, dass Mina diesen gemeinsamen Traum nicht vergessen hatte. Doch wie sollte sie nur nach Buenos Aires gelangen? Nein, darüber würde er jetzt nicht nachdenken. Jetzt nicht.
    Frank nahm einen letzten Zug von seinem Zigarillo, drückte ihn dann sorgsam aus. Seine Flucht hatte ihn damals aus dem offenen Grasland der Pampa über die im Wechsel der Jahreszeiten überfluteten Savannen mit ihren Caranday- und Pindó-Palmen bis zu den Buschwäldern geführt, die den Übergang zum Waldgebiet des Chaco bildeten. Der Frühling war ihm unvergessen geblieben. Der Algarrobo, der Johannisbrotbaum, trieb dann neues hellgrünes Laub aus. Überall in der Luft flogen die großen weißen Flocken der Giftesche wie Schnee. Der Paratodo, der nur dort wuchs, wo es auch süßes Grundwasser gab, bildete seine gelben Blüten aus, während der Jacaranda bläulich lila blühte und der Quebracho gelb oder rot. Die üppigen veilchenfarbenen Blüten der Lapacho-Bäume – riesigen Blumensträußen gleich – hoben sich vom dunklen Grün des Waldes ab. Die knorrigen Ceibos bedeckten ihre kahlen Zweige statt mit Blättern mit zahllosen Blüten, von denen jede, so schien es Frank, einem feingeschwungenen zartroten Frauenmund glich.
    Er war nicht der Einzige, der das so sah. Der Frauenmangel beflügelte die Fantasie der Männer, denn hier im Holzfällerlager gab es nur wenige Angehörige des weiblichen Geschlechts, und alle gehörten sie zu einer Sorte. Es war kein leichtes Leben, schlecht bezahlt noch dazu, aber als Verdächtiger auf der Flucht hatte Frank gelernt, Abstriche zu machen. Manchmal fürchtete er

Weitere Kostenlose Bücher