Die Lagune Der Flamingos
einen Blick für sie gehabt. Als der vierschrötige Mann mit dem schulterlangen Haar und dem Schnurrbart unter dem Johlen der anderen das Geld für sie überreicht hatte, hatte Blanca innerlich eine Tür geschlossen. Dort, hinter dieser Tür, saß sie. Sie brauchte auch nicht auf Corazon zu hoffen. Zum einen war es ihre Mutter selbst, die sie verkauft hatte. Zum anderen hatte Corazon schon früh an diesem Nachmittag mit dem Trinken begonnen und war jetzt kaum mehr bei Bewusstsein.
»Kommen Sie, Señor«, sagte Blanca also, weil ihr ohnehin nichts anderes übrig blieb.
»Du heißt Blanca Brunner, ja?«, fragte der Mann und griff in ihr Haar. »Bist du Deutsche?«
Sie nickte. Ja, Deutsche, das war sie vielleicht. Jedenfalls war ihr Vater von dort gekommen. Vielleicht war sie also eine Deutsche.
Sie waren an der schmalen Stiege angekommen, die nach oben führte. Er ließ ihr den Vortritt, wenig später spürte sie eine Hand an ihrem Hinterteil. Die Blanca hinter der Tür in ihrem Kopf wurde unruhig.
Bleib drinnen, sagte sie ihr stumm, dir passiert nichts. Es wird alles gut.
Sie drehte sich zu dem Mann um, der sie gekauft hatte, nahm alle Kraft zusammen und lächelte ihn strahlend an.
Señora Valdez hatte ihr bestes Zimmer für sie beide herrichten lassen. Sogar Vorhänge gab es hier. Die fadenscheinigen Laken in dem alten Himmelbett waren mit Duftwasser besprenkelt worden.
Blanca ging zur Mitte des Raumes, drehte sich um und nestelte an ihrem Kleid. Die Blanca hinter der Tür in ihrem Kopf schloss die Augen und begann zu summen. Sie ließ das Kleid zu Boden gleiten.
»Was singst du da, Kleine?«
Blanca hob den Kopf und sang lauter: »Es ist ein Ros entsprungen, aus einer Wurzel zart …«
Die Blanca in ihrem Kopf rüttelte an der Tür, doch sie würde sie nicht herauslassen.
Der Mann nestelte nun an seiner Hose, stand im nächsten Moment nackt vor ihr und drängte sie rücklings zum Bett.
Blanca sang. Wie hinter einem Schleier bekam sie mit, wie der Mann sie aufs Bett warf. Im nächsten Moment suchte der behaarte wippende Ast zwischen seinen Beinen sich zwischen ihre Beine zu drängen.
Sie hatte so etwas schon öfter beobachtet, wenn sie ihrer Mutter und einem Freier zugesehen hatte, doch das hier war vollkommen anders. Das hier tat weh. Es machte ihr Angst. Sie wollte das nicht.
Blanca biss sich auf die Lippen, bis sie Blut schmeckte. Die Blanca in ihrem Kopf begann zu schreien. Der Mann auf ihr stöhnte. Sie legte die Arme um ihn und kratzte über seinen behaarten Rücken, wie sie das bei ihrer Mutter gesehen hatte.
»Du kleine Wildkatze«, jaulte er wohlig auf, »du kleine verdorbene Wildkatze.« Wieder schmerzte es in ihr, dann bäumte er sich plötzlich auf und brach im nächsten Moment über ihr zusammen.
Sie konnte seinen stoßenden Atem hören, roch die Ausdünstungen seines Körpers und unterdrückte ein Würgen. Endlich richtete er sich auf. Er lachte. Blanca lächelte zurück. Auf seinem rechten Arm war ein blutiger Kratzer von ihren Fingernägeln zu sehen. Er sah ihn an, fuhr dann genüsslich mit der Zunge darüber.
»Dich will ich immer wieder, du kleine Teufelin, immer wieder.« Er küsste sie, dann stand er auf, um sich anzuziehen.
Blanca blieb nackt auf dem Bett sitzen, zog die Beine an und legte ihre Arme darum. Bevor er den Raum verließ, kam er noch einmal zu ihr, um sie erneut zu küssen.
Die Küsse waren unangenehm, beinahe schlimmer als alles andere, was davor geschehen war, doch sie hatte die Kraft, stillzuhalten. Nachdem er die Treppe hinuntergepoltert war, ging sie zu dem Waschstand hinüber, goss frisches Wasser aus der Kanne in die Schüssel und nahm sich einen Lappen, um sich gründlich zu waschen. Erst bewegten sich ihre Hände langsam, dann rubbelten sie kräftiger und kräftiger, bis ihre Haut rot schimmerte.
Früh am nächsten Morgen ging Blanca zu Señora Valdez. Sie war jetzt gewiss kein Kind mehr, sie war erwachsen.
»Ich will die Hälfte des Geldes«, sagte sie.
Señora Valdez hob die Augenbrauen.
»Ich will die Hälfte«, sagte Blanca, »oder ich gehe. Der Mann wird wiederkommen. Er wird nicht mehr kommen, wenn ich gehe.«
»Da bist du dir aber ganz schön sicher, du Küken.«
Blanca wich Señora Valdez’ funkelndem Blick nicht aus.
»Wenn ich gehe, geht meine Mutter mit«, sagte sie. »Du wirst uns beide verlieren.«
»An deiner Mutter habe ich nicht mehr viel zu verlieren.«
»Nicht mehr viel«, Blanca zuckte die Schultern, »aber etwas. Überleg es
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