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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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weitergeschoben oder angerempelt zu werden.
    Eine Weile passte er sich dem Menschentrubel an, dann merkte er plötzlich, wie hungrig er war. Er hatte ja noch nicht einmal gefrühstückt. An einem der unzähligen Straßenstände kaufte Frank sich eine süßliche humita aus Mais, Tomaten, Zwiebeln und Kräutern und aß noch eine Schüssel locro , jenen typischen Eintopf aus Fleisch, Mais, Huhn und Kartoffeln.
    Danach kehrte er endlich zu ihrem Treffpunkt zurück. Auf den benachbarten Plazas Victoria und Mayo waren die Vorbereitungen zur Feier des Unabhängigkeitstages in vollem Gange. Frank suchte sich einen schattigen Platz, von dem aus er den Obelisken gut im Blick hatte, zog den flachen schwarzen Hut, den er in Montevideo gekauft hatte, tiefer in die Stirn und machte es sich bequem.
    Gegen Mittag drängten mehr und mehr Menschen auf den Platz. Musik war zu hören. Straßenhändler boten ihre Ware feil. Frank kaufte sich ein paar Orangen gegen den Durst. Zum ersten Mal schlich sich der Gedanke in seinen Kopf, dass Mina vielleicht nicht kommen würde, aber er verbot sich, weiter darüber nachzudenken. Der Lärm und das bunte Treiben auf der Plaza nahmen zu, die Menschen lachten und feierten ausgelassen.
    Stunde um Stunde verging. Als es dunkel wurde, entzündete man Fackeln, die ihre gespenstischen Schatten über den Platz warfen. Salutschüsse knallten, und ein Feuerwerk wurde entzündet, was dem Höhepunkt des Festes einen dramatischen Anstrich gab.
    Auch als Frank sich vor Müdigkeit kaum noch aufrecht halten konnte, blieb er an seinem Platz. Sie kommt, sagte er zu sich, Mina wird kommen. Der Tag ist noch nicht vorüber.
    Aber was, wenn sie nicht kommt?, begehrte eine Stimme in ihm zu wissen. Frank biss die Zähne aufeinander. Er wollte darüber nicht nachdenken.
    Frank wartete die ganze Nacht. Erst als die Sonne über der von Müll übersäten Plaza de la Victoria aufging, gestand er sich endlich ein, dass er vergebens gewartet hatte. Was war mit Mina geschehen? Warum war sie nicht gekommen? Er befürchtete das Schlimmste. Was, wenn sie seine Hilfe brauchte?
    Er musste nach Esperanza zurück.

Siebtes Kapitel
    Blanca zügelte Jensens Pferd abrupt. Der Braune, der ihr in den letzten Wochen Gesprächspartner und Freund gewesen war, schnaubte leise. Die junge Frau holte tief Luft. Nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen erschien wie aus dem Nichts ein riesiger See vor ihr. Sie wusste, dass er sich verflüchtigen würde, wenn sie weiterritt, doch die Sinnestäuschung war so unglaublich, dass sie zögerte. Eine Fata Morgana war nicht selten in dieser Landschaft, und obwohl Blanca darum wusste, fiel es ihr immer noch nicht leicht, damit umzugehen. Mal war es ein See, der plötzlich in der Weite der Pampa vor ihr zu liegen schien, dann waren es steile Klippen, die sich unvermittelt aus der weiten Ebene erhoben und sich im Meereswasser spiegelten. Beim Näherkommen war die Täuschung dann jedes Mal nur zu offensichtlich.
    Wie viele Wochen sie nun schon unterwegs war, konnte Blanca nicht sagen. Anfangs hatte sie noch versucht, mitzuzählen, bald aber hatte sie in der unendlichen Weite ihre Orientierung verloren. Sicherlich hatte sie auch nicht den kürzesten Weg nach Buenos Aires genommen. Außerhalb der Siedlung, in der sie einen Großteil ihrer Tage zugebracht hatte, schien sich die Pampa bis in die Unendlichkeit zu erstrecken – eine riesige Graslandschaft, in der die buntesten Wildblumen wuchsen. Da gab es das Pampasgras mit seinen seidigen weißen Samenständen, die an flaumige Federn erinnerten, und dicke Matten aus Punagras. Dazwischen fanden sich Klee, dunkelviolett schimmernde Disteln, Wildgerste oder Senfpflanzen, die von den Spaniern ins Land gebracht worden waren.
    Mehr schlecht als recht hatte Blanca sich von ihren kärglichen Vorräten ernährt. Häufig schlief sie hungrig ein. Ab und an waren ihr in der Weite andere Reisende begegnet, die etwas von ihrem Proviant mit dem mageren Burschen teilten. Zumeist war Blanca aber froh, wenn ihr niemand begegnete, auch wenn die Einsamkeit sie zuweilen bedrückte. In diesem Teil der Pampa gab es kein Gesetz. Hier herrschte das Recht des Stärkeren, und das Messer war schnell zur Hand.
    Der See hatte sich wieder verflüchtigt. Dafür wurde es bereits dunkel.
    So spät schon?
    Blanca sah überrascht nach Westen, wo später die Sonne untergehen würde. Für einen Moment glaubte sie, über die Fata Morgana die Zeit vergessen zu haben, nun wurde ihr klar, dass der Himmel

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