Die Lagune Der Flamingos
drüben sein. Am frühen Morgen war er dann in Buenos Aires, konnte sich dort ein wenig umschauen, wenn er die Muße dazu fand und sich dann schnell zu dem verabredeten Treffpunkt begeben.
Buenos Aires, flüsterte er jetzt, unhörbar im Wind. Er war noch nie in dieser Stadt gewesen. Es sei eine prächtige Stadt, hieß es, mit vielen neuen Bauten. Eine Stadt, in der, so stellte er es sich in seinen schönsten Träumen vor, Mina auf ihn wartete. Eine Stadt, durchfuhr es ihn plötzlich, in der man sicherlich fleißige Arbeiter benötigte. Allerdings befürchtete er immer noch, verfolgt zu werden, und wusste deshalb nicht, ob er es wagen konnte, auf Dauer zu bleiben.
Also doch zurück in den Chaco? Frank wusste es einfach nicht. Er würde mit Mina darüber sprechen. Plötzlich war er sich ganz sicher, dass er sie wiedersehen würde.
Und dann waren sie endlich da. Schon als Buenos Aires noch nicht einmal am Horizont sichtbar war, fuhr der Flussdampfer an unzähligen großen Ozeanschiffen aus der ganzen Welt vorbei, die auf der Reede vor Anker lagen. Bald darauf sah man im Morgennebel die Stadt dem Wasser entsteigen. Ein imposantes Gebäude neben dem anderen sah man am Kai, der sich über ein paar Kilometer Länge hinzog. Schon von Weitem gewahrte man das rege Leben am Ufer: Der Dampf von Lokomotiven hüllte die Häuser in Wolken, unzählige kleine Dampfschiffe und Boote bewegten sich am Ufer. Das Getöse der großen Stadt drang weit den Fluss hinauf. Über den Häusern, die dicht an dicht standen, erhoben sich die Glockentürme der Kirchen. Besonders beeindruckend war das große, halbrunde Zollgebäude, dessen Mauern ins Wasser ragten. Es glich immer noch der Festung, die es einst gewesen war. Von diesem Gebäude aus zog sich eine der vielen Molen etwa einen halben Kilometer weit in den Fluss hinaus, denn ganz ans Ufer konnte man selbst mit einem Boot nicht zu jeder Zeit gelangen.
Von einem erfahrenen Buenos-Aires-Reisenden hatte Frank erfahren, dass das Wasser bei starker Ebbe zuweilen auf ein paar Kilometer zurücktrat, sodass die hohen Stützen der Mole ganz im Trockenen lagen.
Als der Flussdampfer nun am Ende einer Mole anlegte und die Passagiere an Land gehen konnten, atmete Frank tief durch. Noch etwa zwanzig Minuten hatten sie jetzt auf diesem schwankenden Gerüst zu gehen, dann erreichten er und die anderen Passagiere festen Boden. Entschlossen marschierte er Richtung Stadtzentrum – wie er dorthin gelangte, hatte Frank auf dem Schiff in Erfahrung gebracht. Er passierte den Zentralbahnhof, ein Gebäude im anmutigen Villenstil mit zierlichen Holzgiebeln und reichem Schnitzwerk, vor dem ein beträchtlicher Menschen- und Wagenverkehr herrschte. Schon sehr bald, und natürlich viel zu früh, gelangte er zur Plaza de la Victoria, die durch eine Arkade voller kleiner Geschäfte, die Recova Vieja, von der Plaza de Mayo getrennt war. Die Plaza de Mayo lag näher am Flussufer und hatte lange Zeit als Paradeplatz für die Soldaten des Forts gedient, das die Plaza de la Victoria immer noch dominierte. Heute diente das einstige Fort dem Präsidenten und den Ministern als Bürogebäude. Kürzlich erst war ein Flügel aus rotem Sandstein ergänzt worden. Die Bezeichnung Casa Rosada war bereits in aller Munde. Vom Fort aus gesehen dehnte sich die Stadt mit ihren Häuserblocks, sogenannten cuadras , nach Norden und Süden bis ins Landesinnere aus. Ringsherum erstreckte sich die Pampa in die Unendlichkeit.
Obwohl ihn die Reise ermüdet hatte, schaute sich Frank neugierig um. Die Plaza de la Victoria war groß und mit Palmen bepflanzt, Bänke luden zum Ausruhen ein. In der Mitte erhob sich jener Obelisk, eine einfache Säule aus Backsteinen mit einer auf den Fußspitzen stehenden Victoria, zur Erinnerung an den Unabhängigkeitskampf. Hier stand sie, die »Tänzerin«, die Mina und er einst zu ihrem Treffpunkt erkoren hatten.
Einen Moment lang überlegte Frank, ob er sich gleich einen Platz zum Warten suchen sollte, doch dann entschied er, dass es noch zu früh war. Rechts der Plaza befand sich eine lang gestreckte Häuserzeile, hier reihten sich hinter einfachsten Fassaden Lagerhäuser, Depots und Warenmagazine scheinbar endlos aneinander. Erhaschte man einen Blick durch eine Tür, sah man in Höfe, in denen Tausende von Kisten und Ballen aufgeschichtet waren. Doch Frank schaffte es kaum, einmal einen Moment stehen zu bleiben, ohne von einem der vielen Menschen, die hier ihrer Arbeit nachgingen, rücksichtslos
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