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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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sie wiederfinden konnte. Den Gedanken, dass er sie vielleicht niemals wiedersehen würde, hatte er bislang nicht zugelassen.
    Und ich werde es auch jetzt nicht tun.
    Er schaute Casimir fest an. Man hatte ihm und den anderen Land in Entre Ríos zugewiesen, das sie jetzt rasch in Besitz zu nehmen gedachten.
    »Ich wünsche euch Glück, Casimir«, sagte Arthur, »aber ich kann nicht fort von hier. Nicht, bevor ich nicht weiß, was wirklich mit Olga geschehen ist. Entweder, ich finde sie wieder, oder ich trage sie zu Grabe. Das habe ich mir geschworen.«
    Casimir nickte. Dann hob er die Schultern, ließ sie wieder fallen und stieß schließlich einen tiefen Seufzer aus. »Morgen feiern die Argentinier die Unabhängigkeit ihres Staates. 1810 ist die erste, von der spanischen Kolonialmacht unabhängige Regierung gebildet worden. Schade, ich wäre gern dabei gewesen, doch unser Schiff fährt eben schon heute. Pech gehabt.«
    Er drehte sich wieder in Richtung Fluss, auf dem so viele Dampfboote, Segelschiffe und Barken unterwegs waren, dass man das Wasser kaum noch sehen konnte. Arthur folgte Casimirs Blick. Bei Ankunft ihres Schiffes hatte das argentinische Einwanderungsamt erst eine der ihnen versprochenen Kolonien eröffnet: Hinojo bei Olavarria im Süden der Provinz Buenos Aires. Obwohl sich dort bereits einige ihrer Landsleute angesiedelt hatten, hatten sich die Neuankömmlinge, unter ihnen Casimir, standhaft geweigert, ebenfalls dorthin zu ziehen. In Entre Ríos sähe es aus wie in der alten Heimat, hatte man ihnen gesagt. Deshalb wollten sie auch nirgendwo anders hin.
    »Ich muss hierbleiben. Ich muss herausfinden, was geschehen ist«, wiederholte Arthur. Oder sterben, fügte er stumm hinzu.
    Casimir nickte. »Aber du kannst jederzeit zu uns kommen, vergiss das nicht. Jederzeit.«
    »Ja«, antwortete Arthur.
    Dann blickten die Männer wieder auf den Fluss hinaus. Schweigend hing jeder seinen Gedanken nach.
    Verschnürt und geknebelt, sodass sie sich weder rühren noch einen Laut von sich geben konnte, lag Olga auf dem Boden des Schiffsrumpfs. Mit den Wellen bewegte sich das Schiff auf und ab. Anfangs hatte sie geglaubt, ihr müsse übel werden, doch inzwischen hatte sie das Gefühl überwunden. Nur dass sie allein war, beunruhigte sie. Man hatte Ruth und sie – die andere junge Frau war schon am zweiten Tag abgeholt worden – gemeinsam aus dem Haus gebracht, in dem sie Wochen zugebracht hatten, doch danach hatte Olga nichts mehr von der Freundin gehört. Das Einzige, was sie wusste, war, dass es für sie heute mit dem Schiff nach Rosario gehen sollte. Auch in Rosario wurden Huren gesucht.
    Oder war Ruth doch hier? Olgas Augen hatten sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt, doch sie konnte sich nicht ausreichend bewegen, um einen Überblick zu gewinnen. Von draußen drangen Rufe und Geschrei zu ihr herein. Sie hörte, wie das Wasser an die Bootswände klatschte, lauschte dem Knarren von Holz. Es tat einen dumpfen Schlag, als etwas zu Boden fiel. Aber das war alles, was sie wahrnahm – die üblichen Geräusche eines Hafens, mehr nicht. Sie war allein.

Sechstes Kapitel
    Frank stand reglos am Ufer, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, den Blick gen Buenos Aires gerichtet. Am Vortag war er in später Nacht mit dem Schiff in Montevideo angelangt. Erwartungsvoll hatte er sich mit den anderen Passagieren an der Reling gedrängt, doch Einzelheiten hatte man nicht mehr erkennen können. Er hatte nur den Hügel erahnt, auf welchem die Stadt terrassenförmig aufgebaut war, Lichter gesehen, die aus den Häusern und Straßen zu ihnen herüberschimmerten und die Anhöhe aussehen ließen wie mit zahllosen Leuchtkäfern übersät.
    Am Unabhängigkeitstag jeden Jahres vormittags an der Siegessäule auf der Plaza de la Victoria, so hatten Mina und er es sich einmal geschworen. Frank hoffte, dass sie das nicht vergessen hatte, auch wenn er es in diesem Jahr erstmals zur Plaza schaffen würde.
    Je näher er seinem Ziel kam, desto aufgeregter wurde er. Gott sei Dank gab es eine tägliche Verbindung mit den Dampfbooten einer Kompanie zwischen Buenos Aires und Montevideo. Die mehrstöckigen Dampfboote waren groß und bequem, jedoch oft überfüllt von Reisenden, auch wenn fast täglich eine Verbindung mit den großen Ozeanschiffen bestand, die auf der Hin- und Rückfahrt in Montevideo und Buenos Aires Halt machten.
    Frank konnte es kaum noch erwarten. Gegen Abend würde das Schiff ablegen. In acht bis zehn Stunden konnte er bereits

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