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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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Mulattinnen zusammen, um das schmutzige Linnen in den stehenden Pfützen mit dem gelblichen Wasser am Ufer zu waschen und zu schlagen. An den warmen Abenden von November bis März badeten und plantschten hier Männer und Frauen, Schwarze und Weiße, Reiche und Arme, allerdings streng voneinander getrennt, im lauen, knietiefen Wasser. Es war ein riesiges öffentliches Bad, in dem man sich erfrischen konnte, wenn es auch kaum reinigte. Schon als Kind war Blanca manchmal mit ihrer Mutter hierhergekommen.
    Ich muss mich entscheiden, fuhr es ihr durch den Kopf, wenn ich mein Leben ändern möchte, muss ich mich entscheiden.
    Sollte sie es tatsächlich endlich wagen, Kontakt mit ihrer Familie aufzunehmen?
    Estella runzelte die Stirn, dann verzog sie die Lippen.
    »Ach Gott, man mag es kaum glauben, wie einfach die Freizeitvergnügungen sind! Ein Empfang, eine langweilige, ach so zwanglose tertulia . Gute Güte, dafür hätte ich die Provinz nun wirklich nicht verlassen müssen.«
    »Du hast die Provinz verlassen, um hier zur Schule zu gehen«, bemerkte Marlena, während sie auf die Einladung in ihrer Hand starrte. »Im Übrigen finden nicht mehr so viele tertulias statt«, fuhr sie dann fort, »die Zeiten sind so viel schneller geworden.«
    »So, sind sie das?« Estella gähnte.
    »Octavio wird dort heute Abend seine Gedichte vorlesen«, versuchte Marlena es weiter. Irgendwie verlangte es sie, Estella auf andere Männer als John Hofer aufmerksam zu machen.
    Estella stützte das Kinn auf den Handrücken und machte einen Schmollmund. »Kenne ich den?«
    Marlena zuckte die Achseln.
    »Seine Eltern sind sehr wohlhabend.«
    »Ach ja?« Estella seufzte gelangweilt. »Ich frage mich«, fuhr sie dann fort, »wie das damals mit den literarischen Salons war, die es angeblich in den Jahren direkt nach der Unabhängigkeit gab. Ach, könnte nicht einfach mal wieder jemand zum Tanz einladen? Sonst langweile ich mich gewiss noch zu Tode.«
    Marlena antwortete nicht.
    »Ich habe es satt, herumzustehen oder dazusitzen und Konversation zu betreiben. Wir Frauen können ja nicht einfach irgendwo hingehen. Für Männer gibt es Clubs, den Club del Progreso zum Beispiel oder den Club de Residentes Extranjeros, wo dein Vater hingeht. Männer können auch den Abend beim Karten- oder Würfelspiel im Café an der nächsten Ecke verbringen, aber wir?«
    »Wir gehen in die Kirche oder einkaufen.« Marlena grinste ihre Freundin an. »Ach, und dann gibt es doch immerhin gelegentlich Tanzveranstaltungen im Teatro Colón, zu denen wir uns blicken lassen können.«
    »Tanzveranstaltungen? Dahin dürfen wir doch auch nicht, wenn es nach deiner Mutter geht.«
    »Sie kann dem Tanzen eben nichts abgewinnen.«
    »Sie kann dem Wort Vergnügen nichts abgewinnen.«
    Die Freundinnen schauten sich an und kicherten. Dann stand Estella auf und zupfte ihr Kleid zurecht.
    »In Gottes Namen, dann gehen wir eben zu dieser tertulia . Ich ziehe mich schnell um.« Sie war schon fast an der Tür, als sie sich noch einmal umdrehte. »Hast du eigentlich in letzter Zeit etwas von diesem Señor Hofer gehört?«
    Marlena spürte einen unangenehmen Stich in ihrer Magengegend. Offenbar war es ihr nicht gelungen, Estella auf andere Gedanken zu bringen. Die Vorstellung behagte Marlena gar nicht.

Elftes Kapitel
    Marlena zupfte zum wiederholten Mal an ihrem Kleid, während ihr Champagnerglas immer noch fast unberührt war. Je älter sie wurde, desto mehr hatte sie den Eindruck, ihre Eltern veranstalteten diese Empfänge, um sie mit geeigneten Heiratspartnern zusammenzubringen. Immer war eine Auswahl junger Herren unter den Gästen, die altersmäßig eher ihren Eltern nahestanden. Mancher junge Mann stammte aus einer alteingesessenen guten argentinischen Familie, mancher war als Vertreter seines Unternehmens aus Deutschland gekommen – davon gab es tatsächlich recht viele, seit es mit der Wirtschaft Deutschlands und Argentiniens voranging. Viele dieser Vertreter bemühten sich allerdings gar nicht darum, in dem fremden Land heimisch zu werden, was Marlena verärgerte. In jedem Fall bildeten sie eine besondere Schicht innerhalb der deutschen Gemeinschaft und gehörten sogar oft zu den führenden Persönlichkeiten unter ihren Landsleuten. Sie waren es, die maßgeblich dafür sorgten, dass den Vereinen und sozialen Einrichtungen der deutsche Charakter erhalten blieb.
    Und ihre Mutter und Julius schienen ausgerechnet diese Leute für geeignete Heiratskandidaten zu halten. Marlena war da

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