Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
lächerlicher ausgesehen hatte als in diesem Augenblick, da er mit einer Hand seine Hose festhalten musste, damit sie ihm nicht auf die Füße fiel.
Befangen machte er sich klar, dass er immer noch ihre Hand umklammert hielt, nicht wie bei einem Kind, das er leiten musste, sondern so, dass es merkwürdige Gefühle in ihm weckte, die seinen Herzschlag beschleunigten. Er wollte sie loslassen, brachte es aber nicht fertig.
»Warum bist du niemals vorbeigekommen?«, wollte sie unvermittelt wissen.
Er zuckte zusammen, denn ihre Stimme klang anklagend, ja sogar wütend. Es schien, als sei ihr etwas Unangenehmes eingefallen, das sie gegen ihn vorzubringen hatte.
»Warum hätte ich kommen sollen?«, fragte er vorsichtig.
»Vielleicht, um dich nach mir zu erkundigen!«
»Ich wusste doch, dass es dir gut geht.«
»Woher?«
Er hob die Schultern. »Letzten Sommer sah ich einmal, wie du mit Monna Crestina und ihrer schiefgesichtigen Tochter zum Kräuterpflücken losgesegelt bist, auf die Terraferma. Du hast einen gesunden Eindruck gemacht. Du hast sogar mit ihnen gelacht.«
»Du hättest zu mir kommen und guten Tag sagen können.«
»Wozu?«
»Es wäre höflich gewesen!«
»Ich hatte keine Zeit«, behauptete er.
»Du lügst!«, rief sie aus, ihm ihre Hand entreißend. »Schließlich hattest du auch Zeit, dich mit Valeria zu unterhalten!«
»Was soll das? Willst du mir Vorwürfe machen? Ich habe dich vorhin gerettet, oder nicht? Reicht das nicht? Vielleicht hätte ich dich einfach dem Mädchenfänger überlassen sollen, dann könntest du jetzt nicht solchen Blödsinn reden.«
»Nicht du hast mich gerettet, es waren die Mönche, die zufällig des Weges kamen.«
»Dann hätte ich ja vielleicht gar nicht erst durch den Kanal schwimmen sollen«, gab er zurück. »Und du hättest einfach ein Gebet mehr gesprochen und Gott um Hilfe angefleht, so wie du es immer schon gerne tatest.«
»Genau«, fuhr sie ihn hitzig an. »Wärst du doch drüben geblieben! Dann wäre ich tot, und es wäre dir gleichgültig. Ich war dir doch immer schon egal!«
»Da hast du völlig recht, wer interessiert sich schon für eine langweilige Göre wie dich«, versetzte er gereizt, nur um sich gleich darauf über diese Bemerkung zu ärgern. Er hatte keine Ahnung, wie es auf einmal dazu hatte kommen können, dass sie miteinander stritten. Sie war von ihrem Wesen her so aufbrausend und widerborstig wie eh und je, und er fragte sich, wieso ihm das entfallen war.
Laura verschränkte die Arme vor der Brust und ging stumm neben ihm her, offensichtlich ernsthaft beleidigt, aus Gründen, die er nicht recht nachvollziehen konnte. Die Art, wie sie ihn behandelte, war alles andere als einem todesmutigen Retter angemessen.
Das Wasser trocknete auf seiner Haut und hinterließ juckende Stellen, hauptsächlich dort, wo er sich im Beisein eines Mädchens schlecht kratzen konnte. Davon abgesehen fühlte sich sein ganzer Körper mittlerweile wie ein einziger Eisklumpen an.
Sie erreichten das andere Ufer, wo die Löschmannschaften nach wie vor damit beschäftigt waren, das Feuer am Fondaco dei Tedeschi einzudämmen. Die Flammen schlugen noch in den abendlichen Himmel, aber der Funkenflug hatte nachgelassen. Der Brand würde sich nicht weiter ausbreiten, der Rialto war für diesmal gerettet. Das deutsche Handelshaus war jedoch verloren. Aus dem niederbrennenden Feuer ragten nur noch schwarze Ruinen, und dort, wo sich vorher bis zum Bersten gefüllte Lagerräume befunden hatte, gähnten dunkle Schlünde in dem unter der Hitze eingebrochenen Mauerwerk.
Antonio und Laura bahnten sich einen Weg durch die überall gestapelten Fässer und Säcke; sie umrundeten die Karren, die bis zum Rand mit Waren vollgepackt waren, von denen einige angesengt, andere aber nur leicht beschädigt aussahen.
Sie stießen auf Crestina, die auf sie wartete, das angespannte Gesicht von Tränen überströmt. Sie schloss Laura in die Arme und presste sie an sich. »Dem Himmel sei Dank, da bist du wieder!« Weinend wiegte sie das Mädchen, als wäre es ihr eigenes Kind, das sie verloren geglaubt hatte, und Laura erwiderte die Umarmung mit derselben Inbrunst, schluchzend wie Crestina und offenbar übermannt von der Tiefe ihrer Gefühle.
Antonio wusste nicht recht, wie er die Empfindungen einordnen sollte, die ihn beim Anblick dieser Umarmung überkamen. Er versuchte, sich zu erinnern, wann ihn das letzte Mal jemand auf diese Weise gehalten hatte. Cecilia hatte einmal kurz die Arme um ihn
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