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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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geschlungen, in der Zeit, als sie so krank gewesen war, kurz vor ihrem Tod. Und seine Mutter am Tage seines sechsten Geburtstags. Sie hatte ihm ein Spielzeug überreicht, einen Holzkreisel. Angestrengt überlegte er, was daraus geworden war, doch er erinnerte sich nicht. Es war verschwunden, zusammen mit allem anderen, was er früher besessen und dann verloren hatte. Niemandes Arme hatten ihn seither umfangen.
    Er spürte eine Leere in sich, die kälter war als das eisige Wasser, das er vorhin durchschwommen hatte.
    »Ich danke dir, mein Junge«, sagte Crestina. »Das werde ich dir niemals vergessen.«
    Doch er hatte sich bereits abgewandt und war davongegangen.
      Oktober 1508
     
    »Man kann es schon sehen«, sagte Matteo aufgeregt. Er stellte sich auf die Ruderbank und hopste ungeduldig in die Höhe, um einen besseren Blick auf die Fassade des neu errichteten Gebäudes zu gewinnen. »Sie sind auf dem Gerüst, alle beide, und sie malen!«
    »Setz dich wieder hin, sonst fällst du noch ins Wasser«, mahnte Laura.
    »Ich bin groß und kann schwimmen.«
    »Du bist sechs, und schwimmen kannst du nur in der Theorie. Setz dich, Matteo!«
    Er machte keine Anstalten, ihrer Aufforderung zu folgen, hörte aber immerhin auf zu hüpfen, während Isacco das Boot langsam an die Wasserarkaden heranlenkte. Das Licht der Nachmittagssonne fiel von schräg oben gegen die Fassade und brachte die Farben zum Leuchten.
    Laura war in der letzten Zeit schon öfter am gegenüberliegenden Ufer oder oben auf der Brücke stehen geblieben, um das neue Meisterwerk zu bestaunen, und heute wollten sie es sich aus nächster Nähe anschauen. Es stimmte alles, was man darüber erzählte – dass hier zwei junge Maler, die ganz sicher zu den herausragendsten ihrer Zunft gehörten, ein Kunstwerk schufen, das in ganz Venedig seinesgleichen suchte. Man musste nur einen Blick auf die fast fertigen Fresken werfen, um zu wissen, dass die begeisterten Beschreibungen nicht übertrieben waren.
    Es war sogar wahrscheinlich, dass man die beiden Maler eines Tages in einer Reihe mit Künstlern wie Carpaccio und den Bellinis sehen würde. Es hieß, sie seien Schüler des Giovanni Bellini, doch das, was sich dort an der Außenfassade des jüngst wieder aufgebauten Fondaco dei Tedeschi zeigte, ähnelte nicht dem Werk von Schülern, sondern sah nach der vollendeten Kunst wahrer Meister aus.
    »Jetzt erkenne ich es ganz genau! Schaut doch, Laura und Isacco! Was für herrliche Farben! Da oben, das ist ein Mann mit Hufen! Und da, eine Frau, die über Wolken schwebt! Und seht ihr dort die Pferde? Sie ziehen einen Wagen, hoch hinauf in die Luft!« Matteo war nicht zu bremsen in seiner Begeisterung. Kaum hatte Isacco den Sàndolo gegen die Stufen unterhalb der Arkaden treiben lassen, als der Kleine auch schon aus dem Boot gesprungen war, um das Gerüst zu erklimmen, auf dem die beiden Maler ihrer Arbeit nachgingen. Laura streifte die Holzpantinen ab und folgte ihm notgedrungen, obwohl es ursprünglich so geplant war, dass sie sich die neuen Fresken nur im Vorbeifahren vom Boot aus anschauen wollten. Sie wusste nicht, ob sie belustigt oder verärgert sein sollte, entschied sich dann aber dafür, ihrem Bruder seinen Willen zu lassen. Es war ohnehin zu spät, ihn daran zu hindern.
    »Was soll das werden?«, rief Isacco von unten, während Laura barfuß und mit gerafftem Gewand die Leiter des Außengerüsts hochstieg. Matteo war bereits oben und verharrte mit andächtigem Gesichtsausdruck dicht hinter einem der beiden Maler.
    »Ihr werdet euch den Hals brechen!« Isacco starrte hilflos zu ihr hoch, das Ruder gereckt, als wollte er sie damit von der Leiter zurückholen.
    »Es ist alles in Ordnung«, rief Laura in einer Aufwallung von Übermut über die Schulter zurück. »Wir beide haben unter unseren Ahnen Kletteraffen, weißt du!«
    Flüchtig fiel ihr ein, dass Isacco weder sie noch Matteo bisher bei ihren zum Teil halsbrecherischen Aktivitäten beobachtet hatte, obwohl er doch so viel Zeit mit ihnen verbrachte. Er war ein Vorbild in allen Fragen der Gelehrsamkeit, doch die wirklich lustigen Aspekte des Lebens waren ihm eher unheimlich. Was er wohl denken würde, wenn sie plötzlich vor seinen Augen auf den Händen liefe oder sich auf den Kopf stellte, und das auch noch in Knabenstrumpfhosen, die sie sich eigens für diesen Zweck besorgt hatte? Vermutlich würde er rot anlaufen und nach Luft schnappen, so wie er es häufig tat, wenn sie nur zu laut lachte und dabei den Kopf

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