Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
kräftiger als früher und wies unter dem Kinn einen deutlichen Bartschatten auf, der auch seine Wangen dunkel färbte. Nur seine Augen unter den ebenmäßig gewachsenen schwarzen Brauen waren noch wie damals von jener hellen, klaren Goldtönung, wie man sie nur bei geschliffenem Bernstein findet.
Sie saßen dicht beieinander, Schulter an Schulter, und als ihr Lachen verstummte, meinte Laura, die aufkommende Befangenheit beinahe mit Händen greifen zu können. Sie spürte die Wärme, die sein großer Körper verströmte, fast so wie der Fels in ihrem Rücken, und benommen fragte sie sich, was hier mit ihr geschah.
Sie umfasste ihre angezogenen Knie. »Warum wolltest du mit mir sprechen?«, fragte sie, vergeblich um einen leichten Ton bemüht.
Er räusperte sich und streckte die langen Beine aus, an denen sich unter der eng anliegenden Strumpfhose jeder Muskel abzeichnete. Er nahm ein kleines Stück Treibholz und zog damit Muster in den kiesigen, mit Geröll durchsetzten Sand.
»Du hast heute Nachmittag die ganze Unterhaltung im Fondaco mit angehört«, sagte er. »Es ging dabei um Geschäfte, die für mich von äußerster Wichtigkeit sind.« Er holte Luft. »Wichtiger als alles, was du dir vorstellen kannst!«
»Dass es wichtig ist, habe ich mir wohl schon zusammenreimen können, aber auch, dass es verboten ist.«
»Das stimmt nicht«, protestierte er.
»Von welchem Teil reden wir denn gerade? Von den heiligen Reliquien, die du verschacherst, obwohl die Kirche es bei Strafe untersagt? Oder von dem Versuch, das alleinige Handelsrecht der Kirche mit Alaun zu durchbrechen?« Sie hob einen Stein auf und warf ihn in hohem Bogen in Richtung Wasser. Er plumpste nach kaum fünf Schritten Flugweite kläglich zu Boden. Im Werfen war sie nie gut gewesen.
»Hör zu«, sagte er drängend. »Du musst das von einer anderen Warte aus sehen. Der Papst wird einen Krieg gegen Venedig anzetteln und alles versuchen, um die Stadt mit einem Handelsembargo zu isolieren. Dann wird das vatikanische Alaunmonopol zwingend fallen müssen, weil anderenfalls die venezianische Wirtschaft zusammenbricht.« Erklärend setzte er hinzu: »Tatsächlich gibt es nämlich so gut wie kein wichtiges Gewerbe, bei dem in der Herstellung von Gütern auf Alaun verzichtet werden kann.« Er nahm ebenfalls einen Stein auf und warf ihn, und gleich darauf noch einen zweiten und einen dritten, und alle Wurfgeschosse beschrieben einen langen, perfekten Bogen, bevor sie in einiger Entfernung ins Wasser platschten.
»Ich bin nicht so dumm, wie du vielleicht meinst«, entgegnete Laura kühl. »Ich weiß, was Alaun ist und wozu man ihn braucht. Und wenn Cattaneo vorhat, damit Geschäfte zu machen, ist es nur recht und billig, wenn ihm jemand zuvorkommt. Darum geht es doch, oder?«
Er nickte zurückhaltend.
»Gut. Das finde ich völlig in Ordnung.« Sie blickte ihn vorwurfsvoll an. »Aber es ist nicht in Ordnung, dass du mit kirchlichen Heiligtümern handelst, Antonio Bragadin!«
Er verzog das Gesicht, während seine Hand mit einer Silberkette spielte, die er um den Hals trug. »Wenn ich es nicht täte, täten es andere«, brummte er.
»Aber die Heilige Tugend !«, ereiferte sie sich. »Wie konntest du das tun!«
Er räusperte sich. »Es gibt mehrere davon, du musst es doch mit angehört haben.«
Sie spürte, wie sie errötete. »Ich will nicht darüber sprechen.«
»Warum fängst du dann davon an?«
»Weil es scheußlich ist, was du tust! Es ist eine Verhöhnung des Glaubens, heilige Reliquien zu verschachern.«
»Wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, du wärst besser Betschwester geworden statt Kräuterweiblein.«
Erbost starrte sie ihn an. Am liebsten hätte sie abermals einen Stein genommen, diesmal aber, um ihn damit zu bewerfen. »Und du hättest genauso gut weiter stehlen können, statt mit der Frömmigkeit der anderen Menschen Schindluder zu treiben, du ketzerischer Heuchler!«
»Ich bin kein Ketzer!«, widersprach er. »Ich glaube an Gott den Allmächtigen und bin ein getreuer Christ! Kaum ein Sonntag vergeht, an dem ich nicht an der Heiligen Messe teilnehme.« Er zögerte. »Na ja, ich war lange nicht beichten. Aber irgendwann tue ich es bestimmt, dann werde ich alle Sünden gestehen, und mir wird vergeben.«
Damit hatte er einen wunden Punkt bei ihr berührt. Sie seufzte schwer.
Antonio zog die Brauen hoch. »Wenn alles gut geht, werde ich mit diesen Dingen aufhören«, meinte er überraschend friedfertig.
»Wenn was gut
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