Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
geht?«
»Meine Geschäfte in Ungarn. Wenn es damit klappt, brauche ich den Reliquienhandel nicht mehr.«
Verdattert setzte sie sich aufrecht hin. »Du willst selbst nach Ungarn reisen?«
»Nächste Woche breche ich auf. Man gibt mir Geld, damit ich Söldner für die Reise anwerben kann, dann geht es los. Es ist Eile geboten.«
»Aber wieso hast du mich ...« Sie brach verlegen ab.
Er schien ihre Gedanken zu erraten. »Wieso ich dich aus diesem stinkenden Kräuterladen rausgeholt und hergebracht habe? Um sicherzustellen, dass du mit niemandem darüber sprichst.«
Ihr regelt das doch, Messèr Bragadin?
Verlasst Euch drauf.
Sie zwang sich zur Ruhe, obwohl ihr Zorn wieder auf dem Vormarsch war. »Willst du mir drohen? Mich mundtot machen?«
Er blickte sie erstaunt an, dann schien er zu begreifen und grinste. »Mache ich einen so skrupellosen Eindruck auf dich, meine Schöne? Dann solltest du dich allerdings nicht ärgern, sondern vor Angst erzittern, dass ich dir als Nächstes deinen hübschen Hals umdrehe!«
Tatsächlich durchzuckte sie bei seinen Worten eine Andeutung von Furcht, aber noch deutlicher spürte sie etwas anderes, über das sie nicht genauer nachdenken wollte, weil es zweifellos verbotene Regungen waren. Sie hingen allesamt damit zusammen, wie intensiv das Leuchten in seinen Augen war und wie unverschämt männlich sein Lächeln. Und wie seidenweich der Klang seiner Stimme, als er die Worte meine Schöne und hübsch ausgesprochen hatte.
»Laura«, sagte er leise.
»Ja«, erwiderte sie atemlos.
Erneut huschte ein Grinsen über sein Gesicht, verschwand dann aber. Seine Augen verdunkelten sich, und er schaute auf ihren Mund.
In ihr schien etwas zu schmelzen, von dem sie gar nicht gewusst hatte, dass es überhaupt dort war. Sie fühlte sich erfüllt von einer fließenden Schwere, die ihre Glieder ebenso lähmte wie ihre Gedanken.
»Du wirst doch mit niemandem darüber sprechen, oder?«
»Worüber?«, stammelte sie, und in diesem Augenblick hatte sie wirklich nicht den Hauch einer Ahnung, was er meinte.
»Über Ungarn natürlich. Und den Alaun. Es ist ein Geheimnis und muss unter uns bleiben.«
»Ich kann Geheimnisse bewahren.« Sie dachte an die vielen Diebstähle, die wie schwärende Pestbeulen in ihrer Seele eingeschlossen waren. Was war dagegen schon ein Alaungeschäft in Ungarn?
»Das ist gut.« Er legte einen Finger über ihre Lippen, und die Berührung traf sie bis in ihr Innerstes. Sie merkte, dass sie zitterte, und versuchte, damit aufzuhören, doch es ging nicht.
Sein Finger glitt streichelnd über ihren Mund. »Laura«, sagte er abermals. »Du bist so zauberhaft, weißt du das?« Er schüttelte den Kopf. »Natürlich weißt du es. Vermutlich hörst du es jeden Tag mehrmals, von allen Männern, die deine Wege kreuzen. Was kann ich dir darüber schon Neues sagen?« Seine Stimme war wie eine zusätzliche Berührung, schamlos und verlockend. Sie spürte, wie glühende Hitze ihr den Hals hinauf und in die Wangen stieg. Hilflos erwiderte sie seinen Blick, mit dem er sie bannte wie mit einem unbekannten Zauber.
»Das hier wollte ich schon heute Nachmittag tun«, sagte er mit rauer Stimme. Er nahm den Finger fort und beugte sich vor, sein Gesicht dicht vor das ihre bringend, und für einen Moment fürchtete sie, die Besinnung zu verlieren, so machtvoll war der Strom der Empfindungen, die dabei über sie hinwegbrausten.
»Wirst du mich schlagen, wenn ich dich jetzt küsse?«, fragte er.
Sie konnte nichts sagen, nicht einmal den Kopf schütteln, aber als er sie in die Arme nahm und an seinen Körper presste, kam sie ihm mit stürmischer Bereitwilligkeit entgegen.
November 1508
Fahler Dunst schob sich von beiden Uferseiten über den Fluss und trieb in Schwaden um die Büsche und Bäume, doch vereinzelt war auch freie Sicht auf das Umland möglich. Carlo ließ seine Blicke über die Landschaft schweifen, soweit er bei dem diesigen Wetter etwas erkennen konnte.
Das also war die Terraferma, von der Giacomo schon so viel erzählt hatte. Er selbst war all die Jahre nicht aus der Stadt herausgekommen, ebensowenig wie Valeria, die noch nie die Lagune verlassen hatte. Doch Giacomo hatte es stets verstanden, sie beide mit seinen Geschichten von Gärten, Wiesen und Wäldern zu faszinieren und die Spannung in ihnen wachzuhalten. Er hatte das noch verstärkt, indem er ihnen versprach, sie bald zu einem Besuch seines Landgutes mitzunehmen, das er sich im Jahr zuvor im Auenland der Brenta
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