Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
belegte.
»Wahrscheinlich, dass er mich verdammt noch mal in Ruhe scheißen lassen soll«, gab Laura geistesabwesend zurück.
»Wie kannst du nur solche Worte verwenden?«, fragte Veronica pikiert. »Das ist mir schon öfter aufgefallen! Du kommst doch aus ehrbarem Hause, und im Waisenhaus herrschte auch immer Zucht in diesen Dingen. Nie fiel dort ein ordinäres Wort, nicht einmal aus dem Munde von Monna Paulina!«
»Es ist mir nur so rausgerutscht.« Laura sagte es in einem Tonfall, der klarmachte, dass sie nicht darüber reden wollte. Noch immer wusste niemand in ihrem Umfeld, dass sie über ein halbes Jahr lang gestohlen hatte wie der übelste Verbrecher und dass sie mit einer Hure und anderen Dieben auf engstem Raum in einer Kammer geschlafen hatte, in einem Haus, in dem Säufer, Freier und sicherlich auch Mörder täglich ein und aus gingen. Flüche und ordinäre Reden waren dort noch das geringste Übel gewesen. Dergleichen hatte zum Alltag gehört wie die Luft zum Atmen.
Stumm saß sie neben Veronica in der Gondel, die Hände im Schoß verkrampft und von dem Bedürfnis durchdrungen, sich irgendwo zu verkriechen. Das Karnevalsgetümmel, an dem sie eben noch ihren Spaß gehabt hatte, erschien ihr jetzt eitel und überflüssig. Jedes Gelächter empfand sie als Belästigung, die Musik als unerträglichen Lärm.
Am Rialto war das Gedränge rund um die Brücke und an den Kais unbeschreiblich, doch ihr Bootsführer fand nach einigem Gefluche und ein paar beherzten Stößen mit dem Ruder einen Anlegeplatz. Zuane brachte Laura zur Apotheke, während Veronica, Tiziano und Bartolomeo im Boot warteten.
»Ich lasse dich nur ungern allein, mein armes Mädchen!«, sagte Zuane, nachdem er Laura bis zur Tür begleitet hatte.
»Keine Sorge. Es wird bestimmt kaum eine Stunde dauern, bis Mansuetta zurück ist. Matteo muss ja irgendwann ins Bett.«
Zuane gab ihr zum Abschied einen Kuss auf die Stirn, und dann nahm er sich zum ersten Mal die Kühnheit heraus, sie zu umarmen. Sie spürte sein Zittern und erinnerte sich daran, dass auch Antonio gezittert hatte, als er sie zum ersten Mal in die Arme genommen hatte. Ob Männer immer zitterten, wenn sie erregt waren? Was sie selbst betraf, so spürte sie, anders als bei Antonio, keinerlei Zittern und schon gar keine Erregung, eher Besorgnis und leise Scham. Es war, als hätte sie ein Versprechen gegeben, dass sie nicht halten wollte.
Er wollte sie auf den Mund küssen, doch sie wandte den Kopf ab und legte die Hand auf den Türgriff. »Ich muss jetzt hinein«, sagte sie leise.
»Oh, natürlich«, stieß er hervor. Er trat zwei Schritte zurück und stolperte dabei über seine eigenen Füße. »Verzeih mir, ich bin zu weit gegangen!«
Dieselben Worte hatte Laura damals auch von Antonio gehört, doch heute riefen sie keinerlei Ärger in ihr wach, höchstens Erleichterung.
»Das macht doch nichts«, sagte sie freundlich. »Vielen Dank für den wundervollen Abend.«
»Wir können ja morgen weiterfeiern!« Zuane blickte sie eifrig an. »Den letzten Karnevalstag lassen wir uns nicht verderben, oder?«
»Ich weiß nicht ... Mansuetta ...«
»Die wird sicher wieder mit Giovanni ausgehen, mein Wort darauf.« Er schluckte und betrachtete sie eindringlich. »Laura, ich wollte es dir schon längst gesagt haben ... Du bist ein wunderbarer Mensch. Du bedeutest mir viel. Es ... klingt vielleicht in deinen Ohren dumm, wenn ich das so sage, aber ... Du bist mir von allen meinen Freunden am wichtigsten.«
»Du bist mir auch wichtig, Zuane.« Sie sagte es aus ehrlicher Überzeugung heraus, wenn auch mit leiser Ungeduld. Sie wünschte, sie wäre schon im Haus, um allein über alles nachdenken zu können. »Ich freue mich immer, wenn ich mit dir zusammen sein kann.«
»Gut, dann ist es ausgemacht. Ich hole dich morgen ab, um dieselbe Zeit.« Er streckte die Hand aus, als wolle er sie festhalten. »Gute Nacht, Laura.«
»Gute Nacht.« Rasch und mit gesenktem Kopf kramte sie den Schlüssel aus ihrem Beutel und öffnete die Tür. Sie winkte Zuane flüchtig zu, dann huschte sie ins Haus, bevor er noch etwas sagen konnte. Eilig schob sie den Riegel vor und lehnte sich aufatmend von innen gegen die Tür. So blieb sie stehen, für eine Minute, vielleicht auch für zwei, aber keiner ihrer Gedanken galt Zuane. Ihre gesamten Überlegungen kreisten nur darum, dass Antonio wieder in Venedig war.
Auf der Ladentheke brannte eine Stundenkerze, die mit einem Mal wie unter einem Luftzug flackerte,
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