Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Kehle spürte. Er hatte ihr geschrieben!
»Was stand in dem Brief?«, fragte sie abermals.
»Das ist nicht wichtig.«
»Ich werde ihn sowieso lesen. Mansuetta hat ihn bestimmt noch!«
»Diesem Weib drehe ich den Hals um«, verkündete er grollend.
»Sie hat es bestimmt nur gut gemeint.« Lauras Widerspruch kam nur halbherzig. Sie war mindestens so wütend auf Mansuetta wie er.
»Was hast du mit Querinis Bastard zu schaffen?«, fragte Antonio. Sein Tonfall klang immer noch bedrohlich.
»Woher kennst du Zuane?«, fragte Laura verdattert.
»Valeria hat mir vorhin gesagt, wer er ist. Vermutlich gibt es keinen Mann in Venedig, den sie nicht kennt.«
»Du meinst, sie und er ...« Der Rest blieb unausgesprochen.
»Keine Ahnung«, räumte Antonio ein. Er holte tief Luft und nieste stoßartig. Gleich darauf folgte ein weiteres Niesen, das diesmal wie Donnerhall klang. Die Gefäße auf der Theke klirrten leise, und Laura fühlte sich unversehens in einen feuchten Sprühnebel gehüllt.
Antonio ließ sie los und trat einen Schritt zurück. »Verdammt«, sagte er.
Laura unterdrückte ein Kichern. Das war einer der Unterschiede zwischen Zuane und ihm. Zuane hätte Verzeih gesagt, Antonio wählte ganz selbstverständlich das in seinen Ohren passender klingende Verdammt .
»Was hattest du mit dem Kerl?«
»Mit Zuane war nichts. Er ist nur ein guter Freund, nichts weiter.« Aufbegehrend fügte sie hinzu: »Ich habe mich einsam gefühlt, und er war nett zu mir.«
»Wie nett?« Es klang immer noch zornig, aber nicht mehr ganz so erbost wie vorher.
»Das Netteste war ein brüderlicher Kuss auf die Stirn. Wir waren noch nie allein.«
Er nieste abermals und bückte sich gleichzeitig, um sein Bein an der Stelle zu reiben, wo sie ihn getreten hatte, doch Laura ließ sich dadurch nicht von der wichtigsten aller unbeantworteten Fragen ablenken.
»Wieso fährst du mit Valeria in der Gondel spazieren?«
»Weil sie eine ...«, er nieste heftig, »... alte Freundin ist.«
»Und du und sie, ihr beide ...«
»Es gibt kein Ihr beide . Auf dem Weg zu dir sah ich sie zufällig und stieg zu ihr in die Gondel, um mich mit ihr zu unterhalten, das war alles. Wir haben jahrelang zusammen in einer Kammer gehaust, warum also sollte ich so tun, als würde ich sie nicht kennen?«
»Worüber habt ihr geredet?«
»Über dies und das. Sie hatte Angst und brauchte in ihrer Mutlosigkeit und ihrem Kummer jemanden, mit dem sie sprechen konnte.« Bevor Laura ihn unterbrechen konnte, setzte er hinzu: »Wie immer ging es um Ärger mit ihrem Gönner.«
Laura wollte das genauer hinterfragen, doch die Worte erstarben ihr auf den Lippen, als er auf sie zutrat, bis er wieder ebenso dicht vor ihr stand wie vorhin. Seine Augen hatten angefangen zu triefen, und er wischte sie ungeduldig mit dem Ärmel ab. »Ich hasse diesen Laden«, erklärte er. »Hier drin steckt so eine Art Hexenzauber gegen Eindringlinge wie mich.«
»Das ist Unsinn«, sagte sie schwach.
»Mag sein. Komm.« Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich zur Tür.
Nicht einmal für den Bruchteil eines Augenblicks kam sie auf den Gedanken, sich ihm zu widersetzen. Ihr Mund fühlte sich trocken an, und das Herz hämmerte ihr in der Brust, bis sie sicher war, er müsse es hören können. An den Schläfen und in den Handflächen brach ihr der Schweiß aus, und sie konnte kaum noch klar denken. Immerhin war ihr noch gegenwärtig, dass sie sich schon einmal in der gleichen Situation befunden hatte. Auch damals hatte es mit einem Niesen angefangen; dann hatte er sie überredet, ihm zu folgen, und anschließend war eins zum anderen gekommen. Doch all das schien völlig bedeutungslos zu sein, zumal sie sich mit einem Mal auch wieder intensiv daran erinnerte, wie es war, von ihm genommen zu werden. Es hatte wehgetan, doch das hatte sie nicht gekümmert, weil er nicht nur ihren Körper besessen hatte, sondern auch ihre Seele. Auf magische Weise war sie völlig eins mit ihm gewesen, und jetzt, in diesem Moment, wäre sie dafür gestorben, es noch einmal erleben zu dürfen.
Er hielt ihre Hand umfasst und zog sie hinter sich her. Nach kurzer Zeit schien ihm aufzufallen, dass er zu schnell für sie war, und er passte seine Schritte den ihren an.
Das erste Stück des Weges legten sie schweigend zurück. Laura versuchte, ihren fliegenden Atem zu dämpfen und auch sonst einen möglichst gelassenen Eindruck zu machen. Das erforderte ihre gesamte Konzentration, denn sie war so außer sich, dass sie
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