Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
schien sich um ihn herum zu drehen, und in seinem Kopf dröhnte und hämmerte es, während er versuchte, das Ungeheuerliche zu begreifen.
Priuli betrachtete Valeria voller Abscheu. »Seine Mutter, aha. Diese Familie sollte wohl dringend einmal von den Bütteln der Signoria in Augenschein genommen werden. Einschließlich des Mohren da.«
Er ging zur Tür.
»Wo wollt Ihr hin?«, stieß Antonio hervor. Er stemmte sich zitternd vom Fußboden hoch und stützte sich an der Wand ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Der Schwindel, der ihn erfasst hatte, wurde immer stärker.
»Nach Hause«, antwortete Priuli lakonisch. »Sobald ich die Büttel benachrichtigt habe.«
Er stieß die Tür auf und ging weiter zur Treppe.
Aus den Augenwinkeln sah Antonio, wie Valerias Freier mit entsetzter Miene hinter der spanischen Wand hervorgestolpert kam, mit beiden Händen die Verschnürung seiner Beinkleider zusammenzerrend. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich für den Akt mit Valeria auszuziehen. Sein Hemd hing ihm über die Hüften, und auch die Schnabelschuhe saßen noch an den Füßen.
Er war ein recht junger Mann von angenehmem Äußeren. Das musste man Valeria lassen – sie suchte sich immer die Ansehnlichsten aus.
»Die alten Säcke sind oft krank«, hatte sie einmal dazu geäußert. »Sie stinken schlimmer als ein Fass fauler Fische und brauchen stundenlang, bis sie fertig sind.«
Das alles schoss Antonio durch den Kopf, zusammenhanglos und ohne jede Bedeutung angesichts der Tatsache, dass seine Schwester tot und dieser verfluchte Barbier im Begriff war, mit seinem letzten Geld zu verschwinden, ohne dafür einen Handschlag getan zu haben.
»Wartet«, stieß Antonio heraus. Er überwand das lähmende Schwindelgefühl und rannte Priuli hinterher. »Wartet gefälligst!«
Er holte den Mann noch vor dem ersten Treppenabsatz ein und riss ihn an der Schulter herum. »Gebt mir sofort das Geld zurück!«
Priuli musterte ihn teils abfällig, teils amüsiert. »Mach dich nicht lächerlich. Ärzte bekommen ihr Geld nicht dafür, dass der Patient überlebt, sondern für ihre Mühe.«
Er warf dem Freier, der hastig die Treppe herunterkam und sich an ihm vorbeidrückte, einen irritierten Blick zu.
»Für welche Mühe?«, schrie Antonio. Die letzten Reste seiner Beherrschung verflüchtigten sich schneller, als er die Worte hervorstoßen konnte. Rasender Zorn hatte ihn gepackt. »Sie war schon tot! Ihr habt nichts getan! Nichts !«
»Ich bin hergekommen, oder nicht?«, gab Priuli giftig zurück. »In einen Sündenpfuhl obendrein!« Er deutete auf Valeria, die mit offenem Hemd oben an der Treppe stand. Eine der anderen Wohnungstüren ging auf, und neugierige Gesichter erschienen in der Öffnung.
Antonio stellte sich dem Barbier in den Weg. »Gebt das Geld heraus!«, brüllte er wie von Sinnen. Mit beiden Fäusten drosch er auf Priuli ein, der unter den Hieben zurückwich und stolperte.
»Du bist verrückt geworden!«
»Ich zeige dir, wer hier verrückt ist!« Antonio stieß den Barbier zurück an die Wand und hieb ihm das Knie zwischen die Beine. Der Mann gab ein schmerzvolles Keuchen von sich, doch das reichte Antonio nicht. Plötzlich hatte er sein Messer in der Hand, die Klinge kurz und schmal, aber tödlich scharf. Ein Stich und ein Ruck, und er könnte dem Barbier die Gurgel aufschlitzen, bevor der Kerl überhaupt ahnte, wie ihm geschah.
»Gebt Ihr es jetzt heraus?«, zischte er Priuli ins Gesicht.
»Ruft die Büttel!«, krächzte der Barbier über seine Schulter ins Treppenhaus. »Zu Hilfe! Hilft mir denn niemand?«
Inzwischen hatten sich auch im tiefer gelegenen Stockwerk schaulustige Hausbewohner versammelt, ein Pulk aus abgerissenen, schlecht genährten Menschen mit Ungeziefer in Haaren und Kleidung, lückenhaften Gebissen und ungewaschenen Körpern. Sie starrten den Barbier mit kaum verhohlener Feindseligkeit an.
Oben am Treppenabsatz fing Valeria lautstark an zu weinen. »Er hat mir Gewalt angetan! Er sagte, er gibt mir Geld dafür, doch hinterher hat er es mir wieder fortgenommen! Ja, holt die Büttel, ich will ihnen zeigen, dass sein Samen noch auf meinen Schenkeln klebt! Alle Welt soll wissen, wie schändlich dieser falsche Barbier mit einem unschuldigen Mädchen umgeht! Und das arme Geschöpf, dem er eigentlich helfen sollte, hat er sterben lassen! Sie liegt tot und kalt oben auf ihrer Matratze, die kleine unschuldige Cecilia, ein Kind von kaum fünf Jahren!« Ihre Stimme klang schrill und war
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