Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
betrachtete die Kirche am Campo auf der gegenüberliegenden Seite, sah die Menschen ihren Geschäften nachgehen und ihr Leben gestalten, als wäre alles wie früher. Die ganze Welt bestand rein äußerlich unverändert fort, und doch war nichts mehr so wie vorher. Dort, wo Laura einst ihren lebendigen Herzschlag gespürt hatte, schien nur noch ein harter Stein in ihrer Brust zu liegen, der ihr das Atmen erschwerte und sie daran hinderte, richtig zu essen.
Zu den Mahlzeiten brachte sie kaum etwas herunter, obwohl die Frauen der Scuola fast täglich frisches Essen vorbeibrachten. Lodovica war weniger zurückhaltend; ohne besondere Anstrengung vertilgte die Amme alles, was Laura übrig ließ.
Laura hatte kein Gespür dafür, wie viel Zeit seit der Beisetzung ihrer Eltern verstrichen war, als eine der Frauen zu ihr sagte, man warte darauf, dass die Nachbarn zurückkehrten. Vielleicht war eine Woche vergangen, vielleicht auch zwei, es war ihr egal. Doch im Laufe der folgenden Tage spürte sie wachsendes Unbehagen wegen dieser Bemerkung über die Nachbarn.
Als an einem der folgenden Vormittage das Boot der Filacenovas unten am Steg anlegte und die Schar der mondgesichtigen Knaben an Land hüpfte, wusste Laura mit einem Mal, dass einschneidende Änderungen bevorstanden.
Messèr Filacenova stieg vom Boot und half seiner Frau heraus, und Monna Pippa blieb auf der Fondamenta stehen. Der Ausdruck, mit dem sie zu dem Anbau ihres Hauses hinaufschaute, ließ Laura nichts Gutes ahnen.
Monna Pippas Miene war abwägend und gleichzeitig auf berechnende Weise fröhlich. Es gab keinen Zweifel, dass sie über das Vorgefallene bereits im Bilde war. Dramatische Geschichten wie die der Familie Monteverdi sprachen sich rasch im Sestiere herum.
Als ihr Blick auf Laura fiel, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, und die Verschlagenheit machte aufgesetzter Betroffenheit Platz.
Sie hob die Hand und winkte nach oben. »Laura, du armes Waisenkind! Warte, ich komme gleich!«
Monna Pippa trieb ihre Söhne ins Haus und überwachte die Entladung des Gepäcks. Ihr Mann half beim Tragen der Seekisten und verschwand schließlich mit den Knaben im Palazzo, während Monna Pippa zum landseitigen Eingang des Anbaus eilte. Laura hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst oder wenigstens versteckt, doch Monna Pippa hätte ohnehin die erstbeste Gelegenheit genutzt, das Haus von oben bis unten zu inspizieren.
Laura hörte sie unten rumoren und herumkramen. Sie verließ widerwillig ihren Platz am Fenster, doch als sie zur Treppe kam, war Monna Pippa bereits auf dem Weg nach oben. Sie kam in die Schlafkammer der Eltern geplatzt und blickte sich um, als wollte sie Maß nehmen. Ihre Gewänder waren noch fleckig und verschwitzt von der Reise, und ihre Frisur war verzottelt und in Auflösung begriffen, doch das schien sie nicht im Mindesten zu stören.
Ohne Laura eines Blickes zu würdigen, trat sie zu der Amme, die im Lehnstuhl der Mutter saß und das Kind stillte.
»Sieh da«, sagte sie. »Ein gesunder Knabe, sagte man mir. Nun, er sieht wirklich gesund aus. Hm, Haare hat er keine, was nach Lage der Dinge wohl ein Segen ist. Zu viele rothaarige Kinder in einer Familie können nur Unglück bringen. Und ihr habt ja wahrhaftig genug Unglück erlebt.«
Lodovica verlagerte das Kind an ihrer Brust und blickte zutraulich lächelnd zu Monna Pippa auf, doch diese wandte sich bereits ab und ging hinüber in Lauras Kammer, wobei sie Laura, die im Türrahmen stand, ungeduldig beiseiteschob.
»Lass sehen. Nun, hm. Ja, es geht. Irgendwie hatte ich es größer in Erinnerung, aber mit der Zeit ändern sich die Dinge, auch wenn es nur im Gedächtnis ist. Aber die Aussicht ist wundervoll, weit besser als drüben.«
Laura war dieses Gerede nicht geheuer. Dennoch stellte sie keine Fragen, in der Hoffnung, dass Monna Pippa bald wieder ging.
Zu ihrem Verdruss blieb die Nachbarin noch eine Weile, unter dem Vorwand, nachsehen zu wollen, ob es den armen Waisenkindern auch gut ging und ob sie alles hatten, was sie zum Leben brauchten. Sie streifte durch die Räume, schaute in Kisten und Truhen, hob Decken und Matten hoch und ging schließlich in die Werkstatt, wo sie die Entwürfe betrachtete, nach denen Guido Monteverdi seine Fresken gemalt hatte.
»Er war ein großer Künstler«, sagte sie, und zum ersten Mal kam es Laura so vor, als sei das Bedauern der Nachbarin echt. »Die Scuola wird es sich zum Anliegen machen, euch zu versorgen, da bin ich ganz sicher.«
Mit dieser
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