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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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von echter Trauer erfüllt, und hätte Antonio nicht gewusst, dass alles nur Theater war, hätte er geschworen, dass sie die reine Wahrheit sprach, denn irgendwie brachte sie dabei das Kunststück fertig, Tränen über ihre Wangen strömen zu lassen.
    Zwei oder drei der Männer aus dem Haus rückten in drohender Haltung näher. Murren breitete sich unter den Bewohnern aus. Anscheinend hatte Valeria sie ebenfalls überzeugt, obwohl es kaum jemanden hier unter diesem Dach geben konnte, der nicht bestens über ihre Lebensweise informiert war. Dieses Wissen schien allerdings nicht halb so viel zu zählen wie die Wut über einen bessergestellten Eindringling, der ein junges Mädchen zum Weinen brachte und obendrein auf ungeklärte Art dazu beigetragen hatte, dass Cecilia tot war. Die Kleine war bei allen Leuten im Haus beliebt gewesen, ein lächelnder Sonnenschein, stets zu jedermann freundlich.
    »Hier hast du dein Geld!« Priuli griff in seinen Beutel und schleuderte Antonio die Münzen vor die Füße. Der beeilte sich, die wenigen Silberstücke einzusammeln, bevor die übrigen Hausbewohner auf die Idee kamen, ihm dabei zu helfen.
    »Denk daran, was ich den Bütteln sagen werde, du mieses Schwein!«, rief Valeria laut schluchzend dem Barbier hinterher, während dieser fluchend die Treppe hinunterstolperte und sich in Sicherheit brachte. Sie weinte immer noch, als Antonio mit seltsam tauben Gliedern in die Kammer zu seiner toten Schwester zurückkehrte. Als er abermals neben der Kleinen niederkniete und von der Seite wahrnahm, dass Carlo ihn beobachtete, durchzuckte ihn das Verlangen, über den Schwarzen herzufallen, mit dem Messer, den Fäusten – allen Waffen, die ihm zu Gebote standen. Carlo hatte vorhin bereits gewusst, dass Cecilia tot war, doch er hatte es ihm nicht gesagt. Der Arzt hatte die Kleine zuerst untersuchen und es feststellen müssen! Das war so überflüssig gewesen!
    Noch stärker war jedoch Antonios Wunsch, Valeria zu schlagen. Er wollte sie so sehr verprügeln, dass ihm die Hände zuckten vor lauter Verlangen, sie bluten zu sehen. Sie hatte gekichert und nur ein paar Schritte weit entfernt Unzucht getrieben, während seine Schwester starb!
    Valeria kauerte neben ihm und schluchzte haltlos, und Antonio rückte zur Seite, weil er ihre Nähe nicht ertrug.
    Valeria streichelte Cecilias Haar und beugte sich über die Kleine, als wollte sie ihr etwas sagen, für das ihr bisher immer die Worte gefehlt hatten.
    Antonio war zu verstört, um Erstaunen zu empfinden, doch auf einer entfernten Ebene war ihm klar, dass Valeria auf eine Weise reagierte, wie er es nicht von ihr erwartet hatte. Der Drang, sie zu schlagen, verflog.
    »Ich muss einen Priester holen«, murmelte er. »Sie muss die Sakramente bekommen.«
    Ihm war schlecht, als er die Treppe hinuntertaumelte, durch ein Spalier trauriger und mitleidiger Gesichter. Der Tod war kein seltener Besucher in diesem Haus, aber er ließ die Menschen niemals unbeeindruckt zurück.
    Antonio konnte die Anteilnahme spüren, doch sie vermittelte ihm keinen Trost. Die Wut, die er vorhin gegen den Barbier gerichtet hatte, war immer noch da, sie siedete in ihm wie zu stark erhitztes Pech, das über den Rand des Kessels brodeln wollte.
    Er rannte ins Freie und dort über die Fondamenta weiter bis zur nächsten Brücke, durch enge Gassen und schmale, pfeilerbewehrte Unterführungen, über ungepflasterte Campi, vorbei an Kirchen und Häusern und immer wieder an den Kanälen entlang, den Adern der Stadt, die im Rhythmus von Ebbe und Flut schwollen und sanken, bewegt vom Herzschlag des Meeres jenseits der Lagune.
    Antonio merkte kaum, dass ihm die Tränen über das Gesicht liefen, und es war ihm auch gleichgültig. Er hatte den Priester holen wollen, aber jetzt wollte er nur hinaus aus der Stadt und weg von den üblen Gerüchen nach Fisch, faulenden Algen, Schmutz und Rauch, die sich zwischen den Häuserfronten und über den Gewässern ausbreiteten und jetzt, im matten Licht der sinkenden Sonne, beinahe sichtbar wurden: Hier waren es Schwaden von Fliegen, die sich auf verwesenden Schlachtabfällen sammelten, dort der Rauch aus dem Schlot einer Gerberei, und dazwischen die erstickenden Laugendünste, die aus einem stillgelegten Wasserlauf aufstiegen.
    Er ließ das stinkende Gewirr aus Gassen und Kanälen hinter sich und erreichte freies Gelände, das von Schilf gesäumte Strandstück hinter dem Kloster, wo sie sich tagsüber immer aufhielten.
    Er kletterte auf einen Felsen und

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