Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
ihr Herz, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als für den Rest ihres Lebens zu ihm zu gehören.
Auf dem Canal Grande tanzte das Sonnenlicht, und in diesem Gleißen verschwanden auch die letzten Sorgen und machten der Hoffnung Platz.
Draußen im Hafen lag das Schiff, das sie und ihre Familie in Sicherheit bringen würde, fort von hier. Jedoch nicht daraus schöpfte sie Kraft und Zuversicht, sondern aus dem, was in der Zukunft lag: Ihrer aller Wiederkehr nach Hause, zurück in die Lagune von Venedig.
DANACH
Carlo hatte noch eine Weile gewartet, bevor er Venedig verließ. Er hatte darüber gewacht, dass Valeria und ihrem Sohn die beste Pflege zuteil wurde, und erst als er sicher war, dass sie genesen würde und die allgemeine Lage in der Stadt sich zu entspannen begann, hatte er wieder an Aufbruch gedacht.
Zu der Zeit, als er schließlich abreiste, hatte die Pestwelle ihren Höhepunkt überschritten. Das Schlimmste war vorüber.
Ähnliches galt für den Krieg. Noch im August des Jahres 1510 hatte Papst Julius II. mit starken Truppenverbänden in den Kampf am Rande der Lagune eingegriffen, die Franzosen nach Westen zurückgetrieben und damit die unmittelbare Bedrohung von Venedig abgewendet. Das Jahr 1511 hatte mit Friedensverhandlungen begonnen.
Carlo ging ohne Abschied, denn er war sicher, dass er Valerias Tränen nicht ertragen hätte. Ein Teil von ihm hatte bleiben wollen, doch ein anderer Teil wollte fort, dorthin, wo seine Wurzeln lagen.
Es gab einige Schwierigkeiten, bevor er reisen konnte, denn für die Art von Fracht, die er mitnehmen wollte, eignete sich nicht jedes Schiff, und nicht jeder Kapitän war bereit, bei diesem Unterfangen mitzutun. Doch schließlich fand sich eine passende Kogge mit dem dazugehörigen Schiffsführer, der sich von einer reichlichen Menge Gold überzeugen ließ.
Zu seiner eigenen Belustigung erkannte Carlo, dass an ihm wohl doch ein Krämer verloren gehen würde, denn er konnte nicht umhin, diese Reise zusätzlich für geschäftliche Zwecke zu nutzen. Da er schon so viel Geld in Frachtraum investieren musste, sorgte er auch dafür, ihn profitabel zu füllen. Er kaufte bei einem Händler auf Murano so viel Glas, wie er bezahlen konnte, Schalen, Flaschen, Gläser, Zierrat, und veräußerte alles in Kairo – mit schwindelerregenden Gewinnen. Den größten Teil des Geldes deponierte er bei einem jüdischen Bankier, denn dort, wo er hinging, würde er es nicht brauchen.
Er legte die venezianische Kaufmannstoga ab und kleidete sich in der Art eines Badawi in einen Burnus, bevor er von Kairo aus auf einer Nilbarke weiter nach Süden reiste. Seine Waffen trug er jedoch stets am Körper, sogar wenn er schlief. Er heuerte ein halbes Dutzend Nomaden an, die seinen Schutz gewährleisten und ihm das letzte Stück des Weges beim Transport des Löwen helfen sollten. Das Tier befand sich seit dem Aufbruch in einer Art Dämmerschlaf; Carlo hatte sein Futter regelmäßig mit Mohnsamen versetzt. Die Schiffsreise war dadurch problemlos verlaufen, doch es stellte sich als schwierig heraus, den Löwen über Land zu schaffen. Die Nomaden besorgten schließlich Zugpferde, die an die Nähe von Raubtieren gewöhnt waren, sodass der Käfig auf einem Karren weitertransportiert werden konnte. Gemessen daran, welche Strecke sie bereits hinter sich gebracht hatten, war der übrige Weg nicht mehr weit.
In der Nacht, als sie das Ziel der Reise erreichten, war Carlo von quälender Unruhe erfüllt. Seine Blicke irrten umher, doch sie fanden kaum vertraute Markierungen. Er war hier aufgewachsen, aber die Umgebung schien ihm verändert.
Die grenzenlose Weite unter dem Sternenhimmel, die Geräusche der Nacht, der Wind, der über die Savanne strich – alles war wie früher. Aber die Menschen fehlten. Es fehlten ihr Lachen, ihre Gesänge, ihre Tänze. Es fehlten die Hütten aus Lehm und Dung, die von Dornenzäunen umfriedet waren, um das Vieh zu schützen. Es fehlten die Feuer und die Herden. Die Gegend, in der sich sein Kral befunden hatte, war menschenleer. Ein alter Mann hatte ihm erzählt, dass viele Clans fortgezogen waren, in die Serengeti , wo es bessere Weidegründe für das Vieh geben sollte und weniger Sklavenjäger.
Carlo wanderte ein Stück weit vom Lager weg und blieb auf einer Anhöhe stehen. Über den Hügeln hing ein unwirklich großer Mond, der den halben Himmel auszufüllen schien, doch das Land um ihn herum blieb leer.
Es war an der Zeit, den Löwen freizulassen. Er ging
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