Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
nicht, keine Sorge.«
»Denkst du, Giacomo hat die Wahrheit gesagt?« Valeria schluckte. »Ob er wirklich wusste, dass du kommst?«
Carlo zuckte die Achseln. »Mag sein. Er war ein Spekulant und ein Spieler, weißt du. Je höher der Einsatz, desto aufregender das Spiel. Am Ende zu verlieren – vielleicht war gerade das für ihn das beste Spiel überhaupt.«
»Ein Spiel«, flüsterte sie, voller Reue und Bitterkeit. »Wir waren Spielzeug, von Anfang an.«
»Nein«, sagte er hart. »Wir waren Kinder.«
»Ich bin so müde«, murmelte sie.
»Schlaf nur.« Er drückte ihre Hand. »Ich werde bei dir sein, wenn du wieder aufwachst.«
Sie schloss die Augen in dem Bewusstsein, dass er an ihrer Seite war.
Antonio stieg über Bartolomeos Leichnam hinweg, nachdem er sein Schwert notdürftig an dessen Hemd gesäubert hatte. Der Mann hatte gut gekämpft, wendig und aggressiv wie eine gereizte Katze, und er hatte sich auf ein paar Finten verstanden, die Antonios ganze Schwertkunst herausgefordert hatten. Doch Raffaele hatte ihn nicht umsonst jahrelang in täglichen Fechtübungen trainiert.
Am Ende hatte jedoch nicht Antonios bessere Technik, sondern schlicht seine Körperkraft den Ausschlag gegeben. Er war wesentlich jünger als sein Widersacher und diesem an Muskelmasse weit überlegen. Bei den letzten Stößen und Hieben war es fast gewesen, als kämpfte er gegen einen Greis.
Eugenia hockte im hintersten Winkel ihrer Kammer, zusammengekauert an der Wand. Sie lebte noch, doch Antonio sah auf den ersten Blick, dass es bald mit ihr vorbei sein würde. Sie hatte vermutlich gleich zu Beginn des Kampfes Gift geschluckt; ihr Gesicht war rot wie ein Fass gesottener Krebse, und aus ihren Mundwinkeln rannen Speichelfäden. Ihre Augen waren glasig, während sie sich ruckartig in Krämpfen hin und her warf. Offenbar hatte sie sich das Sterben weniger schmerzhaft vorgestellt, denn in ihren Zügen zeigte sich neben dem Schmerz auch Wut.
Als sie Antonio sah, gesellte sich Hass dazu. Sie spie ihm vor die Füße, doch als sie gewahrte, dass ein Batzen Blut mit herauskam, stieß sie einen Jammerlaut aus. Sie versuchte, sich aufzurichten, fiel aber bei der ersten Bewegung kraftlos zurück. Keuchend hielt sie sich den Leib und wiegte sich vor und zurück, während sie wie ein Tier in der Falle zu Antonio aufschaute.
Er ließ sie einfach sitzen und wandte sich wieder der Leiche zu. Ohne zu zögern, zog er dem Toten die Handschuhe aus. Ekel packte ihn, als er dabei die Verunstaltung entdeckte. Bartolomeo hatte dicke, spitz zulaufende Fingernägel, von gelblicher Färbung und zu scheußlichen Krallen gebogen, wie bei einem Tier. Vermutlich war er bereits damit geboren worden und hatte früh gelernt, diese widerwärtige Abnormität zu verstecken. Ein rotes Mal gab es an seinen Händen nicht.
Antonio stieg die Treppe hinunter und ging zurück in den Portego, um einen Blick in Valerias Gemach zu werfen. Sie war eingeschlafen; Carlo war bei ihr. In der Ecke saß die Amme auf einem Stuhl und stillte das Kind.
Von den Leichen war nichts mehr zu sehen. Carlo hatte sie in Laken eingewickelt und unten vor dem Haus in der Gasse abgelegt. Sie würden noch heute in einem der Massengräber landen, von denen es in diesen Tagen so viele gab. Niemand würde sich die Toten genauer anschauen.
Antonio zog sich leise zurück und ging nach unten, um das Haus zu verlassen. Für ihn war hier alles getan.
Auf dem Weg zum Ausgang stieß er zu seinem Schrecken auf Laura. Sie stand im Mezzanin vor der halb offenen Tür einer Kammer und schaute hinein. Das Tuch vom Opferaltar hatte sie abgelegt; irgendwo hatte sie einen richtigen Umhang aufgetrieben, der weniger spektakulär aussah. Er war aus brauner Wolle und in Anbetracht der Augusthitze viel zu warm, doch aus ihrer Sicht war vermutlich alles besser als der schwarze Samt.
Er eilte an ihre Seite und machte keinen Hehl daraus, wie ungehalten er über ihr Erscheinen war. »Was tust du hier? Wo ist Matteo?«
»In der Sakristei der Kirche, beim Priester. Er schläft.«
»Warum bist du hergekommen?«
»Ich habe gespürt, dass die Gefahr vorüber ist.«
»Das ist sie keineswegs. Hier herrscht die Pest.« Antonio wollte sie von der Tür der Kammer wegziehen, doch sie leistete Widerstand.
»Lass mich«, sagte sie. »Ich gehe nicht hinein und berühre auch nichts, keine Sorge. Ich wollte nur ... Ich wollte ihn sehen, bevor er stirbt.« Sie hob den Kopf; in ihren Augen standen Tränen. »Zuane ist tot, nicht
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