Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
von der Brücke hinunter auf die Mole vor dem Dogenpalast zu ziehen. »Es reicht jetzt.«
»Nein!« Sie riss sich von seiner Hand los und blieb stehen. »Ich möchte sehen, was er macht! Vielleicht kann er weglaufen!«
»Das ist Unsinn! Nun komm endlich fort von hier!«
Sie gab keine Antwort, sondern versuchte stattdessen, sich an ihm vorbeizudrücken, damit sie die Geschehnisse auf der Riva besser sehen konnte.
»Laura, das wird böse enden!«
Sie spürte seine hilflosen Blicke auf sich, und vage schoss es ihr durch den Kopf, dass es nicht recht von ihr war, immer wieder ihren Willen gegen ihn durchzusetzen. Der Priester von San Zaccaria betonte oft in seinen Predigten, dass es Sünde war, den Eltern nicht zu gehorchen, und sogar ihre Mutter rief sie hin und wieder deswegen zur Ordnung. Ganz zu schweigen von dem ganzen Sermon, den Monna Pippa bereits über die segensreiche Notwendigkeit kindlichen Gehorsams von sich gegeben hatte.
Sie merkte, wie in ihren Handflächen der Schweiß ausbrach, als sie mit klopfendem Herzen zusah, wie der Portugiese und der Patrizier auf den Schwarzen losgingen. Der Patrizier, ein blonder Mann in smaragdgrünem Samt, hatte sich mit einem Dolch bewaffnet, und die Art, wie er ihn von einer Hand in die andere wandern ließ, deutete darauf hin, dass er damit umzugehen verstand. In seinen Augen stand ein rachsüchtiger Ausdruck, und es sah ganz danach aus, als trachtete er nicht nur danach, sich sein Schwert zurückzuholen, sondern auch, den Sklaven zu töten.
Der wiederum starrte die näher rückenden Männer zornerfüllt an und schwang das Schwert ruckartig von einer Seite auf die andere, so schnell, dass Laura das Singen der blutbefleckten Schneide bis auf die Brücke hören konnte.
Ringsum hatte sich Schweigen ausgebreitet, alle Zuschauer schienen gebannt den bevorstehenden Kampf zu erwarten.
Laura fuhr erschrocken zusammen, als von der anderen Seite der Brücke mit einem Mal Männergeschrei laut wurde, und im nächsten Augenblick stürmten auch schon drei schwer bewaffnete Gardisten der Palastwache heran.
Sie fühlte, wie ihr Vater sie zur Seite riss und an seinen Körper drückte, während die Wachmänner mit dröhnenden Schritten an ihnen vorbeirannten.
Der Sklave fuhr herum, um sich der neuen Bedrohung zu stellen, doch alle Versuche, sich zu wehren, waren vergebens. Einer der Wachmänner holte noch im Lauf mit seiner Lanze aus und schleuderte sie gegen den Schwarzen.
Die dunkelhäutigen Frauen schrien wie aus einer Kehle, als die Speerspitze in die Brust des großen Sklaven eindrang und dieser, getrieben von der Wucht des Aufpralls, mehrere Schritte zurücktorkelte, bevor er wegen der Ketten an seinen Fußknöcheln endgültig das Gleichgewicht verlor und rücklings hinschlug. Die Lanze, länger als ein Mann, ragte zitternd in die Luft wie ein tödliches Mahnmal, während der Sklave mit ausgebreiteten Gliedern auf dem Rücken lag. Er bewegte sich noch, aber es war keine Kraft mehr in dem Bemühen, sich auf die Seite zu rollen, und dann lag er still, bis auf ein schwaches Zittern, das seine Arme und Beine durchlief, bevor auch dieses aufhörte. Seine Augen waren weit aufgerissen; er schien in den Himmel zu starren, aber Laura sah, dass seine Brust sich nicht mehr regte. Er war tot.
Die Gardisten hatten sich um ihn herum aufgebaut, doch ihre Haltung war entspannt. Einer von ihnen lachte über einen Witz, den jemand gemacht hatte, und gleich darauf löste sich auch die Spannung unter den Zuschauern. Beifall wurde laut, und hier und da war abermals Lachen zu hören. Einige Männer lösten sich aus der Menge und beugten sich neugierig über den Toten. Einer von ihnen stieß ihn mit der Fußspitze an, als wollte er sich vergewissern, dass tatsächlich kein Leben mehr in dem Sklaven war. Andere blieben neugierig stehen, als hofften sie, dass es weitere Kämpfe gab, während die übrige Menge sich bereits zu zerstreuen begann. Der Wachmann, der die Lanze geworfen hatte, zog die Waffe aus der Brust des Toten, wobei er zur Unterstützung seinen Fuß auf die Schulter der Leiche setzte, um sie rascher herausreißen zu können.
Ein Franziskanerpriester betrachtete zweifelnd den Leichnam des toten Aufsehers; er schien zu überlegen, ob Konfession und Nationalität des Toten es rechtfertigen mochten, ein letztes Gebet über ihm zu sprechen. Schließlich entschied er sich für ein schlichtes Bekreuzigen und ging dann achselzuckend davon.
Der Portugiese, dessen Gesichtsfarbe, soweit das
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