Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
überhaupt möglich war, noch gelber war als zuvor, sprach mit dem blonden Patrizier, während dieser sich mit gleichmütiger Miene bückte, um sein Schwert wieder an sich zu nehmen, das dem Sklaven bei seinem Sturz aus der Hand gefallen war. Beiläufig, als wäre dies eine ganz alltägliche Verrichtung, holte er mit dem Fuß aus und trat dem Toten heftig in die Seite, nur um sich gleich darauf weiter mit dem Portugiesen zu unterhalten, als wäre nichts geschehen.
Die schwarzen Kinder und die Sklavenfrauen stimmten eine Art Trauergesang an und wiegten sich dabei hin und her. Eine von ihnen hatte das jüngste Kind hochgenommen und drückte es an sich, das Gesicht in der Halsbeuge des jammernden Kleinen vergraben. Ganz offensichtlich kannte die Beherrschung der dunklen Menschen Grenzen, und mit dem Tod eines der ihren waren sie überschritten worden.
Laura presste sich immer noch an ihren Vater, und er hielt sie fest in seinen Armen, als könnte er das, was sie gesehen hatte, damit ungeschehen machen.
Sie hatte das Geheul der Frauen und Kinder in den Ohren, und die Übelkeit brandete in Wellen in ihr hoch, weil sie immer noch das Bild vor Augen hatte, wie der Schwarze versucht hatte, sich auf die Seite zu rollen, kurz bevor er starb. Diese letzte verzweifelte Anstrengung hatte sich ihr eingeprägt, der Anblick brannte förmlich in ihren Augen.
Mit einem Mal ertönte auf der Riva erneut Geschrei.
Diesmal deutete jedoch nichts auf einen bevorstehenden Kampf hin. Der Portugiese schrie einen der Aufseher an, und beide eilten kreuz und quer über die Riva und blickten sich dabei suchend um. Sie schubsten Leute zur Seite, liefen hinter die hölzernen Stände der Budenbesitzer und schauten in die Gondeln und Lastboote, die längs dem Kai vertäut lagen. Der Portugiese stieß sogar ein Fass um, was eine Ladung zappelnder Fische auf der steinernen Uferstraße landen ließ und ihm Schimpftiraden einer Budenbesitzerin eintrug.
Laura verstand nur wenige Satzfetzen, denn auch das Stimmengewirr ringsum hatte wieder an Lautstärke zugenommen.
»Wo ist der Hurensohn?«, hörte sie den Portugiesen in akzentgefärbtem Venezianisch brüllen, worauf der Aufseher gereizt in einer fremden Sprache antwortete.
Laura brauchte einige Augenblicke, bevor sie begriff, was los war.
Der schwarze Junge war verschwunden.
Antonio grinste in sich hinein, während er den aufgebrachten Männern bei der Suche zuschaute, und er fragte sich, ob er der Einzige war, der mitbekommen hatte, in welche Richtung der Junge sich verdrückt hatte. Er war von wilder Schadenfreude erfüllt, was ihn verwunderte, weil er nicht erwartet hatte, dass ihn das Schicksal dieses steckendürren Fremdlings auch nur ansatzweise interessieren könnte. Trotzdem war ihm das Gefühl auf unbestimmte Art willkommen, lenkte es ihn doch von seinen eigenen Sorgen ab.
Außerdem hatte sich der ganze Tumult für ihn auch auf andere Weise gelohnt.
Er biss von dem Räucherfisch ab, den er just in dem Moment gestohlen hatte, als die Palastgardisten über die Brücke gestürmt kamen und damit alle Blicke auf sich gelenkt hatten. In der Innentasche seines Wamses fühlte er das beruhigende Gewicht der Lederbörse, die er vorhin während des Aufruhrs vom Gürtel eines beleibten jüdischen Kaufmanns geschnitten hatte. Der Mann war vollauf damit beschäftigt gewesen, sich mit einem zornigen jungen Burschen herumzustreiten, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelte; er hatte nicht mal Augen für den Sklavenaufruhr gehabt. Schließlich war der Junge wütend davongelaufen – für Antonio genau der richtige Moment, sein kleines scharfes Messer zum Einsatz zu bringen.
Die Börse war nicht allzu groß, und vermutlich waren nur lauter Kupfermünzen drin, denn der Kaufmann hatte trotz seiner Leibesfülle keinen sonderlich wohlhabenden Eindruck gemacht. Aber in diesen Tagen ein paar Soldi mehr im Beutel zu haben konnte keinesfalls schaden. Er musste essen, und seine Schwester ebenfalls.
Antonio fuhr zusammen, als sich von hinten eine Hand in sein Haar krallte.
»Versuch gar nicht erst, wegzulaufen«, sagte der Mann, der ihn gepackt hatte. »Es sei denn, du kannst deine Nasenspitze oder eine Hand entbehren.«
Es war der Kaufmann, den Antonio um seine Börse erleichtert hatte. Unerbittlich hielt er Antonio an den Haaren gepackt. Es tat so weh, dass diesem die Tränen in die Augen schossen.
Er verfluchte sich stumm, aber inbrünstig. Anstatt wie die anderen Gaffer hier stehen zu bleiben,
Weitere Kostenlose Bücher