Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
war auf der Brücke, bevor auch nur einer der Büttel einen Schritt in ihre Richtung tun konnte. Als die ersten erregten Kommandos laut wurden, sie zu ergreifen, war sie schon drüben am anderen Ufer. Antonio sah ihre kurzen roten Locken im Wind flattern, während sie in einer schmalen Gasse zwischen zwei prachtvoll bemalten Palazzi verschwand.
Er fand, dass es einen Versuch wert sei, es ihr gleichzutun, doch er kam nur drei Schritte weit, bevor ihn ein Knüppel am Kopf traf und die Welt um ihn herum in Schwärze versank.
Oktober 1503
Mansuetta suchte aus dem Regal die Beutel zusammen, die sie brauchte. Methodisch arbeitete sie sich von links nach rechts vor, den Buchstaben des Alphabets folgend, nach denen die Kräuter und übrigen Ingredienzien sortiert waren. Früher hatten sie die lateinischen Bezeichnungen für die pflanzlichen Zutaten verwendet, doch bei einer amtlichen Kontrolle hatte es deswegen Schwierigkeiten gegeben, und seither benutzten sie die umgangssprachlichen Namen der Kräuter, die sie vorrätig hielten. Der städtische Beamte hatte zwar lesen können, doch er hatte nie Latein gelernt, und so hatte es einigen Wirbel mit der Obrigkeit gegeben, bis ein anderer, höherer Beamter mit besserer Bildung die Harmlosigkeit der Kräutersammlung bestätigt hatte und der Vorwurf der Hexerei ausgeräumt war. So lange hatten sie, eine empfindliche geschäftliche Einbuße, nichts verkaufen dürfen. Um eine Wiederholung zu vermeiden, waren sie dem Rat des Aufsichtsbeamten gefolgt. Sie hatten ihr Sortiment kurzerhand umbenannt, alles mit entsprechenden Aufschriften versehen und nach den geänderten Anfangsbuchstaben eingeordnet. Es hatte eine Zeit lang gedauert, bis Mansuetta sich an die neuen Regalplätze gewöhnt hatte, doch danach hatte sie weiterarbeiten können wie immer.
Für die Rezeptur, die sie zubereiten wollte, brauchte sie Eibischblüten, Spitzwegerich und Huflattich. Sie schnupperte an den Beuteln, bevor sie ihnen jeweils einige Messlöffel Kräuter entnahm und auf ein Stück sauberes Leinentuch gab, das sie auf der Theke ausgebreitet hatte. Nach kurzem Überlegen fügte sie noch getrockneten Thymian hinzu. Isaccos Mutter liebte das Gewürz, und außerdem war es gut gegen Husten. Der Aufguss würde ihr besondere Linderung verschaffen, wenn er nach ihrem Lieblingskraut schmeckte, davon war Mansuetta überzeugt. Ihre Mutter hatte ihr schon früh beigebracht, dass der Glaube an eine Medizin die heilende Wirkung um ein Vielfaches verstärkte.
Mansuetta zerkrümelte ein paar der winzigen Blättchen zwischen den Fingerspitzen und roch daran. Der scharfe, würzige Duft vertrieb den Schweinegestank, der ihr immer noch in der Nase hing. Es war verboten, Schweine durch die Gassen zu treiben, doch niemand konnte einem Schwein verbieten, auszureißen und allein durch die Stadt zu rennen.
In diesem Fall waren es sogar zwei Schweine gewesen, die es irgendwie geschafft hatten, von einem Lastboot zu entkommen, das lebendes Vieh zu einem der Klöster transportierte. Sie waren kreuz und quer durch den Rialto gehetzt und schließlich in einer Sackgasse gelandet. Niemand konnte ihnen übel nehmen, dass sie in ihrer Panik einen ganzen Pfuhl von Schweinemist direkt vor der Apotheke hinterlassen hatten, bevor sie schließlich von dem unglücklichen Barcaruolo und einigen beherzten Helfern eingefangen und weggebracht werden konnten.
Mansuetta wusste, dass die Schweine Geschöpfe des Herrn waren und an dem Vorfall keine Schuld trugen. Dennoch grollte sie den Viechern, vor allem aber ihren Eigentümern, denn um die üblen Hinterlassenschaften hatte sich niemand gekümmert. Sie selbst war diejenige gewesen, die alles hatte wegputzen dürfen. Hinterher hatte sie sich sofort umgezogen und ihre Kleidung in Lauge eingeweicht, doch der Gestank schien nicht weichen zu wollen. Zäh und klebrig lag er in der Luft, verstärkt durch den Nebel, der seit Stunden in den Gassen und über den Kanälen lag wie dicke Milchsuppe, die langsam auf dem Teller erstarrt.
Sie schlug das Tuch mit den Kräutern zusammen und band es sorgfältig zu, damit bis zum Aufbrühen des Suds nicht zu viel Aroma entweichen konnte. Für die Behandlung der pflanzlichen Ingredienzien hatte sie bei ihrer Mutter gelernt, dass es drei Aspekte besonders zu berücksichtigen galt: Schnelligkeit, Sauberkeit und Sorgfalt.
Die Kräuter sollten nach der Entnahme aus den Gefäßen und Beuteln, in denen sie aufbewahrt wurden, nicht nur rasch zubereitet werden;
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