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Die Landkarte der Finsternis

Die Landkarte der Finsternis

Titel: Die Landkarte der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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hüte mich, auch nur den kleinsten Kommentar zu diesem Thema abzugeben.
    Â»Stört es dich, wenn ich mich ausziehe?«, fragt er. »Es ist so heiß hier drin, und ich schlafe immer nackt.«
    Â»Lass doch die Klimaanlage an!«
    Â»Unser Strom kommt vom Generator und ist streng rationiert. Um Punkt zehn gehen hier die Lichter aus, also schon in einer Viertelstunde.«
    Er legt sein Lendentuch ab, ohne auf meine Antwort zu warten; sein Ebenholzkörper sticht eindrucksvoll vom Weiß der Laken ab.
    Â»Welche Musik hörst du denn am liebsten, Kurt?«
    Â»Klassische Musik natürlich.«
    Â»Hab ich mir fast gedacht. Na, für einen Nachkommen Beethovens ist das normal … Ich mag sie alle. Von Mozart bis Alpha Blondy. Ohne Ansehen von Rasse oder Lebenswandel. Der Mensch hat erst zum Menschsein gefunden, als er im Geräusch einen Rhythmus und Töne entdeckte. Das zeichnet ihn vor den anderen Geschöpfen aus. Ich verehre sie alle, die Musiker und Sänger, von den Sopranisten bis zum Kinderchor, vom Bariton bis zum Rapper. Weißt du, Kurt, die Musik ist doch das Einzige, worum Gott die Menschheit beneidet.«
    Â»Ja, Orfane, das finde ich aber auch.«
    Er dreht den Ton lauter und schließt die Augen.
    Â»Sind deine Eltern noch am Leben?«
    Â»Meine Mutter ist schon vor Jahren gestorben«, erkläre ich ihm.
    Â»Oh, das tut mir leid. Und dein Vater?«
    Â»Könntest du vielleicht das Licht ausmachen?«
    Â»Natürlich. Die Musik auch?«
    Â»Nein, im Gegenteil!«
    Â»Da hast du aber Glück; meine Stereoanlage hängt an einer Autobatterie. Stromgenerator hin oder her, bei Orfane spielt die Musik, wann immer er Lust dazu hat …«
    Â»Gute Nacht, Orfane.«
    Â»Schlaf gut, Kurt … Ich habe dir ein paar frische Sachen auf den Stuhl gelegt, Hose, Hemd und Unterwäsche. Sie dürften dir passen, wir haben ja in etwa dieselbe Größe.«
    Â»Tausend Dank.«
    Â»Du hast da ein paar Furunkel, und überhaupt sieht deine Haut recht mitgenommen aus. Das werden wir uns morgen früh mal näher ansehen.«
    Und damit löscht er das Licht.
    Obwohl ich todmüde bin und das Bettzeug wohlig weich ist, kann ich kein Auge zutun. Mein Gehirn arbeitet mit wahnwitziger Geschwindigkeit. Ich denke an nichts Spezielles, doch jedes Bild hält mich in Atem, so undeutlich es auch ist, strudelt endlos durch das Gespinst meiner Schlaflosigkeit. Ich lasse alles und nichts vor meinem inneren Auge Revue passieren, Hauptsache, es drängt die Gedanken an die vergangenen Qualen zurück. Ich will nicht noch Salz in die Wunde streuen. Dazu fehlt mir die Kraft. Ich möchte in einen derart tiefen Schlaf versinken, dass ich mein Blut hören kann, das Gift und Galle aus meinen Venen abtransportiert. Doch meine Muskeln sind so verspannt, dass ich keine Ruhe finde. Ich wälze mich auf die rechte, dann die linke Seite, auf den Rücken, den Bauch, vergrabe das Gesicht unterm Kissen, schiebe den Arm unter den Kopf und finde noch immer keinen Schlaf. Ich stelle mir vor, wie es wäre, jetzt zu Hause zu sein, in meinem frisch duftenden Bett; doch Jessicas Abwesenheit schürt nur meine Ängste. Ich denke an Frankfurt, meine Arztpraxis, meine Patienten, doch nichts hilft, um meiner Angstgefühle Herr zu werden. In letzter Verzweiflung starre ich zur Decke und horche auf die ausgeblutete, schwülwarme Nacht, die im Schutze ihrer Dunkelheit nostalgischen Erinnerungen nachhängt. Orfane fängt an zu schnarchen und brabbelt im Schlaf. Ich springe aus dem Bett und setze mich auf die Stufe vor dem Pavillon. Ein runder Goldmond klebt über mir am Himmel, so nahe, dass man die Formationen seiner Krater in aller Deutlichkeit sieht. Ein paar Gestalten sind noch in der Nähe der Zelte zugange. Ich hätte Lust auf ein Bier, doch ich traue mich nicht, mir eins aus dem Kühlschrank zu holen. Der heuchlerische Atem der Wüste legt sich wie ein dünner Film auf meinen bloßen Oberkörper. Ich bleibe so lange sitzen, bis eine Art Taumel mir den Blick trübt. Im Finstern taste ich mich zu meinem Bett zurück und bin schon eingeschlafen, bevor mein Kopf auch nur das Kissen berührt.
    Als ich aufwache, steht die Sonne hoch im Zenit. Rasch schlüpfe ich in die Sachen, die Orfane mir hingelegt hat, und gehe hinüber zur Verwaltung. Christophe Pfer bietet mir einen Kaffee an und informiert mich, dass das Fax durch ist und die Botschaften

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