Die Landkarte der Liebe
gemein.«
»Und du echt spieÃig.«
Katie stand auf, strich ihr Kleid glatt und ging zum Tisch, nahm den Stapel Teller in den Arm und das Blech mit den Kartoffeln.
»Und jetzt räumst du auch noch ab, damit ich wie das Arschloch dastehe.«
Wenn Mia verkatert war, war sie meistens schlecht gelaunt, manchmal jedoch geradezu boshaft. Katie wollte sich auf keinen Fall provozieren lassen. Sie ging ins Haus und wartete, bis sich ihre Augen an das dämmerige Licht gewöhnten. In der Küche roch es nach Knoblauch und Rosmarin, das Radio lief. Katie schob die Essensreste in den Komposter und suchte nach dem Spülmittel.
Mia kam in die Küche und stellte mit lautem Klappern eine Platte ab. Sie zerrte sich die Sonnenbrille vom Gesicht, riss die Spülmaschine auf und zwängte die Teller in den Korb.
»Das ist alles sauber, die muss erst geleert werden.«
Mit einem lauten Seufzer holte Mia die Teller wieder heraus und knallte sie auf den Tisch.
»Mum schläft.«
»Na, da mach ich ja schon wieder alles falsch.«
Katie drehte das heiÃe Wasser auf und gab etwas Spülmittel ins Becken. »Für so was werden wir zu alt, Mia.«
»Für was?«
»Für das hier. Streit wegen Nichtigkeiten. Wir sehen uns so selten â ich brauch das einfach nicht.«
»Und ich brauch nicht, dass du mir ständig sagst, was ich mit meinem Geld und meinem Leben machen soll.«
Katie lachte und schüttelte den Kopf. Das machte Mia nur noch rasender.
»Du hältst dich für so was von scheiÃüberlegen, oder?«
Es klopfte an die Hintertür. Finn kam mit einem fröhlichen »Hallo!« in die Küche. Mia lieà sich durch sein Erscheinen nicht beeindrucken und blaffte weiter: »Es muss doch die ultimative Genugtuung sein, über mein leeres Konto und meine âºplanloseâ¹ Zukunft zu reden. Aber soll ich dir was sagen, Katie? Ich scheià auf deinen Bürojob, dein tolles Gehalt und deine prätentiösen Dinnerpartys. Ich will nichts von dem, was du hast, denn wenn ich mir dein Leben ansehe, fällt mir nur eine Formel ein: immer schön auf Nummer sicher.«
Dieser Satz traf Katie sehr. Denn sie hörte: ängstlich, vorhersehbar, konservativ.
»Willst du denn gar nichts sagen?«, stachelte Mia ihre Schwester mit blitzenden Augen an. »Mir sagen, dass ich ein gehässiges Biest bin?«
Katie drehte den Wasserhahn zu und sah Mia an. »Das weiÃt du doch auch so.«
Mia funkelte sie an, dann stürmte sie aus der Küche und lieà die Hintertür laut ins Schloss fallen.
In Katies Augen brannten Tränen. Sie drehte sich zur Spüle und tauchte die Hände wieder in das Seifenwasser.
»Das tut mir leid«, sagte Finn, der hinter ihr stand. »Aber das meint sie doch nicht so.«
»Nicht?« Die Waschmaschine wechselte in den Schleudergang, ein Knopf oder ein ReiÃverschluss schlug bei jeder Drehung gegen die Trommel. »Ich liebe sie«, sagte Katie ruhig, »aber manchmal hab ich das Gefühl, dass ich sie überhaupt nicht kenne. Es ist schrecklich, aber es ist tatsächlich so. Im Ernst, ich kenne meine eigene Schwester nicht.« Sie sah zur Decke, die Tränen strömten über ihre Wangen.
Sie spürte Finns Hand auf ihrer Schulter, dann drehte er sie sanft zu sich und nahm sie in den Arm.
Sie kannte Finn, seit er elf Jahre alt war. Damals hatte sie sich mit ihm im Heizungsschrank versteckt und auf warme Handtücher gekauert, bis Mia sie entdeckte, er hatte sie huckepack nach Hause getragen, als sie sich auf der Jagd nach Mias flüchtigem Drachen den Knöchel verstaucht hatte, sie hatten sich bei der Party zu Mias einundzwanzigstem Geburtstag zur BegrüÃung auf die Wangen geküsst, doch Finn hatte sie noch niemals so im Arm gehalten. Sie hatte in ihm immer einen Jungen gesehen, den Freund ihrer kleinen Schwester, aber als sie nun den Kopf an seine Brust lehnte und die seifigen Hände auf die kräftigen Muskeln an seinem Rücken legte, änderte sich dieser Eindruck.
Sie spürte, wie sein Herz an ihrem schlug, und fragte sich, ob er sich zu ihr hingezogen fühlte. Sie malte sich aus, Mia käme in diesem Moment in die Küche und würde Zeugin dieser Szene â es war eine verlockende Vorstellung. Katie atmete den warmen Geruch seiner Haut ein und hob, sehr langsam, den Kopf zu ihm.
Der Kuss war sanft, mehr die Erkundung einer Idee, ihre Lippen
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