Die Landkarte der Zeit
umgeben von |307| Palmen und Girlanden, in denen mechanische Vögel saßen und Moschusdämpfe ausstießen, stand der Thron, der ein mit allen Raffinessen
ausgestatteter Drehsessel war, in dem der König hochfahren und schaukeln konnte, während er seine berühmten Urteile sprach.
Nachdem er sich einen passenden Namen zugelegt hatte, fragte sich Salomon, was als Nächstes zu tun sei, wohin er seine Schritte
lenken sollte. Die Leichtigkeit, mit der er den beiden Menschen das Leben genommen hatte, legte den Gedanken nahe, dass er
dasselbe mit einem Dritten und auch mit einem Vierten und Fünften würde tun können, sogar mit einem ganzen Sängerknabenchor,
denn er ahnte wohl, dass selbst die höchste Zahl von Opfern ihn niemals in die Verlegenheit bringen würde, sich mit der Moral
des Tötens auseinandersetzen zu müssen, sosehr die Menschen ihr Leben auch schätzten. Jene beiden Leichen öffneten vor ihm
eine Schneise der Zerstörung. Doch durfte er diesen Weg einschlagen? War das seine Bestimmung, oder sollte er einen anderen
Weg wählen, sich etwas Rühmlicherem widmen als einem Gemetzel? Salomon zweifelte, und die zahllosen Spiegel im Saal multiplizierten
seinen Zweifel. Ihm gefiel diese Unentschlossenheit; verlieh sie der Seele, die er in seiner Blechbüchsenbrust aufgezogen
hatte, doch eine interessante Vielschichtigkeit.
Aber egal welche Zweifel an seinem Schicksal ihn bedrängten, als Erstes musste er jedenfalls fliehen, verschwinden, verduften.
Ohne gesehen zu werden, verließ Salomon den Königspalast und streifte durch die Wälder, wie lange, wusste er nicht. Er vervollkommnete
seine Treffsicherheit mit Hilfe von Eichhörnchen, rastete dann und wann in einer Höhle oder einem Schuppen, wo er sich |308| Gräser und Gezweig von den Beinen pflückte, die sich in den Ritzen der Eisenteile verfangen hatten und die Beweglichkeit seiner
Glieder behinderten. Manchmal blieb er auf seinem ziellosen Weg einfach nur stehen, um aufmerksam die Sterne am Himmel zu
betrachten, in denen womöglich nicht nur das Schicksal der Menschen geschrieben stand, sondern auch das der Roboter. Inzwischen
hatte sich seine Tat in der ganzen Stadt herumgesprochen, vor allem unter den Maschinenmenschen, die mit ehrerbietigem Staunen
die Steckbriefe mit seinem Gesicht betrachteten, welche überall an den Mauern klebten. Salomon, der von alldem nichts wusste,
stapfte durch die Wälder und fragte sich, von Zweifeln gequält, ein ums andere Mal, welches seine Bestimmung im Leben sei,
bis er eines Morgens, als er aus der windschiefen Hütte trat, in der er die Nacht verbracht hatte, und sich Dutzenden von
Maschinenmenschen gegenübersah, die bei seinem Anblick in begeisterte Hochrufe ausbrachen, begriff, dass bereits andere über
sein Schicksal entschieden hatten. Maschinenmenschen aller Sorten fanden sich in dieser Herde von Bewunderern, vom klobigen
Fabrikarbeiter über farblose Büroautomaten bis zum zierlichen Kindermädchen. Diejenigen von ihnen, die für den direkten Umgang
mit den Menschen geschaffen worden waren und als Butler, Köche oder Dienstmädchen arbeiteten, zeigten meisterlich ausgearbeitete
menschliche Züge, während jene, deren Schicksal die Fabriken oder die Kellergewölbe von Ministerien waren, in denen sich die
Akten stapelten, kaum mehr waren als eiserne Vogelscheuchen. Alle jedoch applaudierten ihm mit derselben Begeisterung, weil
er der menschlichen Herrschaft das Haupt abgeschlagen hatte, und manche versuchten |309| gar, seinen Eisenpanzer zu berühren, als wäre er ein lang erwarteter Messias.
Mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und Widerwillen nannte Salomon sie bei sich «die Kleinen», und da sie schon den weiten
Weg auf sich genommen hatten, um ihn zu verehren, bat er sie in die Hütte. Auf diese schlichte Weise kam zustande, was später
als die Erste Versammlung der Maschinenmenschen der Freien Welt in die Geschichte eingehen sollte und in deren Verlauf Salomon
feststellen konnte, dass der Hass auf die Menschen machtvoll in den Herzen der Kleinen pochte. Die Kränkungen, die ihnen im
Lauf der Geschichte von den Menschen zugefügt worden waren, waren offenbar ebenso vielfältig wie unverzeihlich. Der Maschinenmensch
des Philosophen und Erfinders Albertus Magnus wurde von dessen Schüler Thomas von Aquin rücksichtslos zerstört, weil der ihn
für ein Werk des Teufels hielt. Noch offenkundiger war jedoch der Fall des Franzosen René Descartes, der, um
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