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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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Cousin durch die gesichtslose Menge bugsieren, hob den Kopf höchstens dem lieblichen Wohlgeruch entgegen, |119| wenn eine Blumenverkäuferin mit ihrem duftenden Körbchen an ihnen vorüberging.
    Als sie in die Greek Street einbogen, sahen sie gleich das schlichte Gebäude, in dem die Firma ZEITREISEN MURRAY untergebracht
     war. Es war ein ehemaliges Theater, das der neue Besitzer umgestaltet und sich dabei nicht gescheut hatte, die klassizistische
     Fassade mit Motiven auszustatten, die sich auf die eine oder andere Weise auf die Zeit bezogen. Zum Eingang ging es über eine
     kleine, von Säulen flankierte Freitreppe, die durch einen eleganten Torbogen aus gedrechseltem Holz ins Innere führte. Gekrönt
     wurde der Eingang von einem Giebeldach, in welches ein das Sternzeichenrad drehender Chronos gemeißelt war. Der wie ein mürrischer
     alter Mann mit zotteligem, fast bis zum Bauchnabel reichenden Bart dargestellte Gott der Zeit wiederum war von einem Kreis
     aus Sanduhren umgeben. Dieses Motiv wiederholte sich auf den Bögen der großen Fenster im zweiten Stock. Über der Tür verkündeten
     pompöse Lettern aus rosafarbenem Marmor jedem, der lesen konnte, dass dieser malerisch herausgeputzte Ort der Sitz des Unternehmens
     ZEITREISEN MURRAY war.
    Charles und Andrew beobachteten, dass die Leute den Gehweg direkt vor dem Gebäude mieden. Als sie näher kamen, erkannten sie
     auch den Grund. Ein ekelerregender Gestank ließ sie ihre Gesichter verziehen, und am liebsten hätten sie gleich ihr Frühstück
     erbrochen, das sie gerade erst in einem lauschigen Lokal zu sich genommen hatten. Der Gestank rührte von einer klebrigen Masse,
     den zwei mit Taschentüchern maskierte und mit Bürsten und Eimern voll Seifenwasser ausgerüstete Arbeiter von der Fassade zu
     bürsten versuchten. Wenn die dunkle Substanz |120| mit den nassen Schweineborsten in Berührung kam, tropfte sie als widerlich stinkender schwärzlicher Schleim auf den Gehweg.
    «Wir bedauern die Unannehmlichkeit, Gentlemen», entschuldigte sich einer der Arbeiter, wobei er das Taschentuch vom Gesicht
     zog. «Irgendein Tunichtgut hat die Fassade mit Kuhdung beschmiert. Wir werden sie aber gleich gesäubert haben.»
    Charles und Andrew wechselten einen fragenden Blick, dann zückten sie ihre Taschentücher, hielten sie sich wie Wegelagerer
     vors Gesicht und betraten mit raschen Schritten das Innere des Hauses. In der Halle hielt eine ganze Legion strategisch positionierter
     Vasen mit Rosen und Gladiolen den fürchterlichen Gestank fern. Genau wie die Fassade des Hauses erschlug der Saal den Besucher
     mit einer überbordenden Zeitikonographie. In der Mitte der Halle erhob sich auf einem Podest eine mechanische Skulptur, die
     aus zwei bis in den Halbschatten der Decke reichenden beweglichen Armen bestand, die eine Sanduhr von der Größe eines Kalbs
     hielten. Das Glas dieser Sanduhr war oben und unten in eiserne Beschläge eingelassen, und ihr Inhalt bestand nicht etwa aus
     Sand, sondern aus einer Art bläulichem Sägemehl, das federleicht von einem Glasballon in den anderen rann und durch das Licht
     der daneben stehenden Lampen seltsam zu flimmern schien. Ein verborgener Mechanismus setzte die Halterung in Bewegung und
     kippte die Uhr, sobald das untere Behältnis vollständig mit dem falschen Sand gefüllt war, der somit unaufhörlich rann und
     damit an die Zeit erinnerte, die dasselbe tat. Umgeben war diese kolossale Skulptur von anderen, ebenfalls erwähnenswerten
     Artefakten, die zwar |121| weniger spektakulär, dafür aber weit wertvoller waren, weil schon vor vielen hundert Jahren erfunden, wie jene würfelförmigen
     Halterungen voller Hebel und Zahnräder im Hintergrund der Halle, welche, den Plaketten auf ihren Sockeln zufolge, die ersten
     Modelle mechanischer Uhren darstellten. Neben dieser ehrwürdigen Klempnerarbeit gab es noch Hunderte von Wanduhren; von der
     mit Meerjungfrauen und Engeln verzierten traditionellen holländischen
Stoelklok
bis zu austro-ungarischen Wanduhren mit Sekundenpendel, die die Luft mit einem atemberaubend eifrigen Ticktack erfüllten,
     das für die Angestellten dieses Hauses zur niemals endenden Symphonie ihres Lebens geworden war, ohne deren tröstenden Klang
     sie sich an den Sonntagen hilflos und verlassen fühlten.
    Eine junge Dame sah sie durch die Halle streifen und verließ ihren Schreibtisch in einer Ecke des Saals, um sie zu begrüßen.
     Sie ging geschmeidig wie ein Nagetier, mit kleinen, dem

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